56 Spitzenpolitiker stellen ihren Lieblingstext aus der Bibel vor "Suchet der Stadt Bestes": Politiker und die Bibel

Berlin (rpo). Vom Bundeskanzler bis zur Oppositionsführerin, über Westerwelle und Göring-Eckhardt: 56 Spitzenpolitiker aller Fraktionen kommentierten für das Buch "Suchet der Stadt Bestes" die Bibelstelle, die ihnen am meisten am Herzen lag. Die "Politikerbibel" wurde am Mittwoch in Berlin vorgestellt.

Das Buch sei weder ein "Knigge" für die politische Arbeit noch eine Sammlung guter Ratschläge der Kirche, erklärten die Herausgeber Karl Jüsten von der Deutschen Bischofskonferenz und Stephan Reimers, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Die druckfrische Sammlung präsentierten Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), CDU-Chefin Angela Merkel, die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der stellvertretende Bundestagspräsident Hermann Otto Solms (FDP). Das Projekt dient einem guten Zweck. Von jedem Exemplar kommt ein Euro dem "Zentrum Lehrter Straße" in der Nähe des Regierungsviertels zugute. Dieses kirchliche Hilfszentrum der Berliner Stadtmission unterstützt Obdachlose und allein stehende Jugendliche.

Für ein Zitat aus dem Alten Testament entschieden sich 17 Politiker, für eine Stelle aus dem Neuen Testament 39. Die "goldene Regel" aus der Bergpredigt: "Alles, was ihr aber von anderen erwartet, das tut auch ihnen" (Matthäusevangelium 7,12), wählten gleich zwei Politiker: CSU-Chef Edmund Stoiber und sein Parteifreund, der Sozialexperte Horst Seehofer. Stoiber kommentierte: "Wenn ich diesen Satz ernst nehme, darf ich nichts fordern, was ich nicht selbst zu geben bereit bin." Seehofer fasste seinen Kommentar mit den Worten zusammen: "Für uns gehört jeder dazu."

Passend zu seiner Adoption eines dreijährigen Mädchens scheint die Lieblingsstelle von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu sein: "Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf" (Matthäus 18,5). Doch der Regierungschef will das Bibelzitat in dem Wortsinn von "klein machen", "die Welt mit den Augen der Kinder sehen", verstanden wissen. Kinder zeichne Neugier und Wachheit, elementares Gerechtigkeitsgefühl "und ihr natürliches Mitempfinden für Schwächere" aus.

Der 1. Korintherbrief des Paulus (13,13) hat es der Oppositionsführerin angetan: "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen." Pfarrerstochter Merkel kommentierte, die Liebe öffne die Menschen füreinander und hebe sie über alltäglich Sorgen und Probleme hinaus. "Sie ist das Band, das alles zusammenhält. Ohne sie wäre unser Leben arm, ziellos und ohne Perspektive."

"Absage an die Selbstüberforderung"

Bundestagspräsident Thierse hat sich als Jugendlicher an der Bergpredigt (Matthäus 6, 26-33) mit ihrem Gleichnis von den Vögeln im Himmel, die der himmlische Vater ernährt, gestoßen. "Erst später habe ich gelernt, dass dies eine wunderbare Einladung zu einer bestimmten Art von Sorglosigkeit ist, und zwar zur Absage an die Selbstüberforderung - alles selbst leisten zu müssen oder zu können - und die Selbstüberschätzung, dass man auch alles zustande bringt."

Ausgerechnet die Stelle im Alten Testament von dem goldenen Kalb, dem das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten huldigt und sich damit den Zorn Gottes zuzieht (2. Buch Mose 32, 7-8), hat sich der FDP-Vorsitzende Westerwelle ausgesucht. Er mache sich kein Bild von Gott, sondern spüre "ein Gefühl des Halts, der Ruhe, der Hoffnung". Westerwelle fügte hinzu: "Der Gedanke an Gott wärmt einen."

Für den nahezu aus dem Sprachgebrauch verschwundenen Begriff Weisheit wirbt Bundesinnenminister Otto Schily mit den Sprüchen Salomos 1,5: "Wer weise ist, der höre zu und wachse an Weisheit, und wer verständig ist, der lasse sich raten." Schily wies auf die Verdienste der alten, weisen Männer hin, und schloss seine Betrachtung ganz pragmatisch: "Das Wort des weisen Salomo enthält sicher keine Anleitung zum Umgang mit Beraterverträgen. Es hilft aber auch bei der Entscheidung, ob, wann und von wem man sich raten lassen will."

(ap)
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