50 Kochrezepte von Cara Nicoletti Speisekarte der Weltliteratur

Düsseldorf · Die New Yorker Metzgerin Cara Nicoletti hat eine alternative Literaturgeschichte geschrieben - in 50 Kochrezepten. In ihrem Buch erzählt sie von Pippi Langstrumpfs Kochkünsten und von Milchshakes nach "Der Fänger im Roggen".

 Eine Frau schneidet Gemüse für ein veganes Gericht. (Symbolbild)

Eine Frau schneidet Gemüse für ein veganes Gericht. (Symbolbild)

Foto: Wavebreakmedia Ltd/Thinkstock

Man muss ja nur mal an den Apfel und den Garten Eden denken, und schon weiß man: In großen Büchern geht es immer ums Essen. Das hatte auch Cara Nicoletti erkannt, als sie vor sieben Jahren ihr Blog begann, ein Online-Journal über das Kochen. Nun muss man dazusagen, dass es solche Food-Blogs im Netz gibt wie Reiskörner im 20-Kilo-Sack, aber Nicoletti, damals Literatur-Studentin und Küchenhilfe, hatte sich etwas Besonderes einfallen lassen: Sie machte Bücher schmackhaft.

Nicoletti las sich durch die Literaturgeschichte und leitete aus den Küchen-Szenen Koch- und Backempfehlungen ab. Rezeption machte sie sozusagen zu Rezepten, zum Beispiel für eine Mandel-Kirschtorte nach Charles Dickens' "Große Erwartungen" oder für Corn Dodgers - frittierte Maismehl-Kugeln - nach "Huckleberry Finn". Bei literarischen Dinner-Abenden mit Freunden probierte sie ihre Kreationen aus.

Das Blog war auch deshalb ein großer Erfolg, weil Nicoletti nicht bloß Fotos der Gerichte und die Kochanweisungen einstellte, sondern Geschichten zu erzählen wusste, oft Persönliches, das sie mit einem Buch verband: wie sie aus ihrem allerersten Kalifornien-Urlaub heimkehrte, Liebeskummer hatte und zu jener Zeit eben auch "Kaltblütig" von Truman Capote las. Darin fand sie einen Cocktail namens "Orange Blossom", den sie sogleich nachzumachen versuchte.

Cracker mit Hühnerleberpastete

Kein Wunder ist es darum, dass ihr aus dem Blog hervorgegangenes Buch "Yummy Books", das nun auf Deutsch vorliegt und in 50 Rezepten durch die Weltliteratur führen will, überhaupt gar kein Kochbuch ist, sondern eine muntere Erzählung, eine Lesebiografie der Cara Nicoletti. Sie beginnt in der Metzgerei ihres Großvaters, wo sie zwischen Rinderhälften Verstecken spielte und auf Milchkisten hinter der Kasse hockte und ein Buch und dazu Cracker mit Hühnerleberpastete verschlang.

Nebenbei erzählt sie dann von "Unsere kleine Farm" - von dem sie in der zweiten Klasse alle Bände auf einem Flohmarkt erstand - und der darin vorkommenden Frühstücksbratwurst. Ihr Rezept gibt es zum Kapitelende als eine Art Bonus, das man nun entweder nachkochen oder aber auch überblättern kann, wenn man mit der amerikanisch-literarischen Küche (viel Sirup) nicht so viel anzufangen weiß. Ein Genuss ist die Lektüre dennoch.

So erfährt man, dass in "Wer die Nachtigall stört" 52 Gerichte auf den Tisch kommen, während in "Stolz und Vorurteil" ständig gegessen werde, nur was, das wird kaum mal erwähnt, beschwert sich Nicoletti. Pippi Langstrumpf habe sie als Kind nicht leiden können, erzählt die Autorin, außer ihre Kochkünste. In ihr Buch hat Nicoletti Buttermilchpfannkuchen aufgenommen, die "auch vor Pippis Augen Gnade gefunden hätten".

Kochen als große Kunst

Und über Holden Caulfield, den Helden aus "Der Fänger im Roggen", weiß sie zu berichten, dass er normalerweise bloß Orangensaft zum Frühstück trinkt, "weswegen er auch auffallend mager ist". Holdens Malzmilch aus dem Salinger-Roman peppt sie zum Milchshake auf - auf dass der Junge zu Kräften kommt.

Im Grunde liegt dieses Buch voll im Trend. Denn in letzter Zeit wird das Kochen ja gar nicht mehr so sehr als Vorarbeit zum Essen begriffen, sondern als große Kunst. Da gibt es zum Beispiel das Blog "Feasting on Art" der Australierin Megan Fizell, die sich von Piet Mondrian zu rechteckigem Rührkuchen inspirieren lässt. Und selbst unter Menschen, die sich in der Küche nicht so sehr zu Hause fühlen, wird gerne die Fernsehserie "Chef's Table" empfohlen, in der die Arbeit von Star-Köchen zuweilen als Drama inszeniert wird. Die Entscheidung, nur noch sechs Nudeln pro Teller zu servieren, wird darin, begleitet von Beethovens "Eroica", zum Endspiel gegen die Gewöhnlichkeit stilisiert.

Gewissermaßen ist "Yummy Books" auch eine Fan-Fiction, eine Weitererzählung der Romane, denn in der Literatur wird ja üblicherweise einfach aufgetischt. Ganz konkrete Anweisungen für Chowder - die Fischsuppe, die in der Walfänger-Gaststätte "Zum Trankessel" gereicht wird - sucht man in "Moby-Dick" vergeblich. Und das, obwohl Herman Melville der Brühe aus kleinen, saftigen Muscheln, zerstoßenem Schiffszwieback und "Flöckchen von gepökeltem Schweinefleisch" ein ganzes Kapitel widmete. Nicoletti, die mittlerweile als Metzgermeisterin in Brooklyn arbeitet, rät zu Venusmuscheln, Schweinebauch (oder Frühstücksspeck) und mehligkochenden Kartoffeln. Die Muscheln über Nacht in einem Topf mit Meersalzwasser stehenlassen, abspülen und dann bei mittlerer Temperatur - so wird Literatur genießbar - acht bis zehn Minuten kochen lassen.

(kl)
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