"Pragmatischer Don Quijote" Soziologe Lepenies erhält Friedenspreis des Buchhandels

Frankfurt/Main (rpo). Der Soziologe Wolf Lepenies ist am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt worden. Sein Name stehe für "intellektuellen Anstand". Die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde dem 65-Jährigen zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse im Rahmen eines hochkarätig besetzten Festaktes in der Paulskirche überreicht.

Für seine wissenschaftliche Arbeit und seine moralische Integrität hat der Berliner Soziologe Wolf Lepenies am Sonntag in Frankfurt am Main den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Der frühere rumänische Außenminister und Philosoph Andrei Plesu lobte den Geehrten in seiner Laudatio als "pragmatischen Don Quijote" sowie als "wachsamen und umsichtigen Interpreten".

Lepenies selbst fand in seiner Dankesrede deutliche Worte zum Verhältnis zwischen Europa und der islamischen Welt bis hin zum aktuellen Streitthema eines EU-Beitritts der Türkei. Der Geehrte wie auch Börsenverein-Vorsteher Gottfried Honnefelder erinnerten an die am Vortag ermordete russische Journalistin Anna Politkowskaja, die sich als Tschetschenien-Expertin und Kritikerin der russischen Regierung einen Namen gemacht hatte.

Laut Plesu steht Lepenies für einen "friedensstiftenden Krieg der Erkenntnis und der Gerechtigkeit". Ausdrücklich bezeichnete der Laudator den Preisträger als "Frontmenschen". Der Geehrte sei zu kämpferisch und temperamentvoll, um einem verweichlichten Pazifismus anzuhängen - andererseits sei er aber auch "zu weise", um ein Mann des Krieges zu sein. Lepenies habe "Kommunikation und Erkenntnis" als Gegenstück des Krieges entdeckt.

Klare Worte zum Verhältnis zwischen Christentum und Islam

"Notwendig ist es, der Militanz wehrhaft zu begegnen, auch mit den Mitteln der Wissenschaft", machte Lepenies in seiner Dankesrede unmissverständlich klar. Dennoch seien der Westen und die islamische Welt - "zum Ärgernis für beide Seiten" - historisch eng miteinander verflochten.

Daher ließ Lepenies das Argument nicht gelten, "dass Europa seine christliche Seele verlöre", wenn die Türkei zur EU gehören würde. Aber er nannte auch "schwerwiegende Gründe" gegen die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union, zum Beispiel mangelnden Schutz von Minderheiten und Menschenrechten. Lepenies rief im Zusammenhang mit einem Dialog zwischen Islam, Christen- und Judentum zu Festigkeit, Überzeugungskraft und Enthusiasmus ohne Überheblichkeit in Verbindung mit Wärme und Bescheidenheit auf.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ehrte unter anderem Lepenies' langjährige Arbeit für das Wissenschaftskolleg Berlin und seinen "intellektuellen Anstand". Honnefelder würdigte das Oeuvre des Preisträgers als "vielgliedriges Werk". In den 15 Jahren seines Rektorats habe er das Berliner Kolleg "zu dem vielleicht anregendsten und freiesten Ort Europas" gemacht, hatte der Stiftungsrat die Entscheidung begründet. Zu Ehren des Preisträgers waren unter anderem Bundespräsident Horst Köhler, Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Bundestagspräsident Norbert Lammert, die Bundesminister Annette Schavan (beide CDU) und Wolfgang Tiefensee sowie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (beide SPD) nach Frankfurt gekommen.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort