Dritte Ehefrau des früheren Kanzlers stellt ihr Buch über ihn vor Seebacher über Willy Brandt - im Buch und live

Berlin (rpo). "Wenn man sein Studium der Geschichte gewidmet hat, Gott einem die Feder leicht führt und man anderthalb Jahrzehnte an der Seite dieses Mannes sein Leben verbracht hat - dann muss man darüber schreiben." Was nach Rechtfertigung klingt, mag sich Brigitte Seebacher am Mittwochabend bei der Lesung ihres Buches "Willy Brandt" in der Berliner Urania zur eigenen Stärkung gesagt haben.

Willy Brandt und die Affäre Guillaume
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Foto: AP

Unsicher wirkt die dritte Ehefrau Brandts, die als promovierte Historikerin bereits Bücher über die SPD-Vorsitzenden August Bebel und Erich Ollenhauer veröffentlicht hat, zu Beginn ihres Vortrages. Zwölf Jahre nach dem Tod des ersten sozialdemokratischen Bundeskanzlers habe sie einfach nur den "historischen Blick mit dem Privaten verknüpfen" wollen, erläutert sie ihre Beweggründe für das neue Werk. "Warum in der Literatur trennen, was im Leben zusammengehörte", wandelt Seebacher den berühmten Satz Brandts zum Fall der Berliner Mauer ab.

Vor gut besetztem Auditorium beginnt Seebacher dann mit etwas abgehackten Sätzen einen Vortrag über ihren verstorbenen Mann mit Textpassagen aus dem Buch zu füllen. Sie berichtet von den Nachforschungen, die sie über Brandts Herkunft angestellt hat, über seine Zeit im Exil und sein Verhältnis zu Deutschland. "Hitler ist nicht Deutschland", sei Brandts Maxime in diesen Jahren gewesen, erfährt der Zuhörer, der Schwierigkeiten hat, dem stakkatohaften Hüpfen durch die Zeit zu folgen.

Je näher Seebacher jedoch Brandts Kanzlerjahren von 1969 bis 1974 kommt, desto lebendiger wirkt die Frau im dunklen Hosenanzug am Lesepult. Nein, es sei "weder Sensationslust noch Voyeurismus" gewesen, die sie veranlasst habe - mit Einverständnis der Betroffenen -, den Namen von Brandts langjähriger Freundin Heli Ihlefeld zu veröffentlichen. Vielmehr habe sie den Friedensnobelpreisträger von 1971 von den Vorwürfen des Umgangs mit Prostituierten frei machen wollen: "Das kann nicht möglich gewesen sein".

Seebachers Lieblingsthema an diesem Abend ist jedoch der langjährige SPD-Fraktionschef im Bundestag, Herbert Wehner, und dessen schwieriges Verhältnis zu seinem Parteivorsitzenden Brandt. Das Kapitel "Nach Moskau. Exkurs" beschreibt mit Blick auf Brandts Kanzlersturz bei der Affäre um den DDR-Spion Günter Guillaume Nachforschungen über eine Verbindung zwischen Wehner, dem damaligen Ost-Berliner Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und der Sowjetunion. Sie erhebe dabei "keinen Anspruch auf letzte Antworten", beteuerte Seebacher. Vielmehr seien die von ihr dargelegten Verbindungen Wehners nach Moskau nur als "Hinweise für eine weitergehende Forschung" zu verstehen.

Als ihr ein Zuhörer vorwirft, sie schaue "immer nur nach Moskau", entgegnet die Buchautorin überzeugt: "Die Indizien lassen für mich keinen anderen Schluss zu. Ich habe starke Zweifel, dass Wehner je mit dem Kommunismus gebrochen hat."

Die Witwe, die mit Brandt von 1979 bis zu seinem Tod 1992 zusammenlebte, berichtet in diesem Zusammenhang davon, dass Brandt allgemein unfähig gewesen sei, "mit der Faust auf den Tisch zu hauen". Bei Anfechtungen oder Beleidigungen habe er sich zurückgezogen und geschwiegen: "Sonst wäre er länger Kanzler gewesen."

Ob Brandt denn auch zurückgetreten wäre, wenn sie damals schon an seiner Seite gewesen wäre, wird sie vom Publikum gefragt. Ein feines Lächeln, ein kurzer Blick zum Lektor, dann die Anwort: Brandt habe manchmal zu ihr gesagt, dass es mit ihr zusammen anders gekommen wäre. Sie könne das nicht beurteilen, "aber eines kann ich ihnen sagen. Mit mir zusammen hätte Brandt Wehner nach all den Vorkommnissen nicht mehr in seinem Haus empfangen".

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