Die schönsten Romane Platz 5: "All die schönen Pferde" von Cormac McCarthy

So etwas gibt es literarisch eigentlich nicht mehr - so einen lupenreinen Western. Mit echten Cowboys und weiter Prärie, mit klugen Wölfen und wilden Hunden, die von Lassos in der Luft zerrissen werden; mit Sandstürmen und Messerstechereien. Doch bleibt es ein Western des 20. Jahrhunderts, der für mich zu den spannendsten und ergreifendsten Büchern der vergangenen Jahre zählt.

Irgendjemand hat einmal den erdigen Blues dieser längst untergegangenen Romanwelt gerühmt. Und das stimmt so genau: mit all den Verlusten, mit den Erinnerungen an eine ehrliche Vergangenheit und den Enttäuschungen der Gegenwart, schließlich mit der Brutalität, die das Überleben an der mexikanischen Grenze erforderlich zu machen scheint.

Unglaublich, dies alles im Roman an der Seite des jungen John Grady Cole zu erleben. Und bald beginnt man zu ahnen, dass dieser Western nicht so weit von uns entfernt ist und dass die Melancholie, die sich wie eine Pferdedecke über die Geschichte legt, eine Zivilisationskritik und tiefe Skepsis meint.

Der ganze Roman ist eine einzige Grenzerfahrung und steht in diesem Sinne am Anfang der "Border-Trilogie" von Cormac McCarthy, dem heute 82-jährigen US-Autor. Natürlich hätte auch er den Nobelpreis verdient. Aber ausnahmsweise sollte er ihn lieber nicht bekommen. Weil seine unfassbaren Bücher lieber still und bedächtig gelesen und weniger laut gefeiert werden sollten.

Cormac McCarthy: "All die schönen Pferde". Aus dem Amerikanischen von Hans Wolf. rororo, 336 Seiten, 9,99 Euro.

Diskutieren Sie unter dem Hashtag #schroeders100 bei Twitter mit dem Autor Lothar Schröder (@daszweitgesicht) und anderen Literaturfans: Welcher Roman gehört unbedingt in die Top100? Welcher wird Ihrer Meinung nach überschätzt?

(RP)
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