Verflechtung der Kulturen Orhan Pamuk erhält Nobelpreis für Literatur

Stockholm (rpo). Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk erhält in diesem Jahr den Nobelpreis für Literatur. Dies gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt.

 Bekommt den diesjährigen Nobelpreis: Orhan Pamuk.

Bekommt den diesjährigen Nobelpreis: Orhan Pamuk.

Foto: ddp, ddp

"Ich versuche, mich von diesem Schock zu erholen", sagte der 54-Jährige Autor am Donnerstag nach der Entscheidung der Stockholmer Nobelpreis-Jury. Er sei glücklich, fühle sich geehrt und freue sich auf die Preisverleihung am 10. Dezember in Stockholm, sagte Pamuk der schwedischen Zeitung "Svenska Dagbladet". "Das wird ein Spaß."

Als Zeichen der Hoffnung begrüßten türkische Intellektuelle die Entscheidung. "Das ist ein historischer Augenblick", jubelte die Schriftstellerin Adalet Agaoglu. Der Autor Cetin Tüzüner sagte, der erste Literaturnobelpreis für einen Türken werde auch anderen Literaten des Landes helfen.

In Berlin würdigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier Pamuk als Brückenbauer zwischen der Türkei und Europa. Kulturstaatsminister Bernd Neumann sagte, Pamuk habe viel zum gegenseitigen Verständnis der Kulturen beigetragen.

Pamuk, der 2005 bereits den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt und seit Jahren als Favorit für den Nobelpreis galt, habe die Wurzeln des zeitgenössischen Romans durch seine Verbindungen zur westlichen und östlichen Kultur erweitert, sagte der Ständige Sekretär der Akademie, Horace Engdahl. Dass Pamuk in seiner Heimat politisch umstritten sei, habe die Entscheidung nicht beeinflusst.

Der Schriftsteller stand wegen "Verunglimpfung des Türkentums" vor Gericht, weil er in einem Interview beklagt hatte, die Türkei stelle sich nicht zwei der schrecklichsten Episoden in ihrer Geschichte: den Verfolgungen der Armenier zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bei denen eine Million Menschen getötet worden seien, und dem Guerillakrieg in den überwiegend von Kurden bewohnten Gebieten des Landes. Das Verfahren wurde Anfang des Jahres eingestellt.

Als erster Autor der islamischen Welt verurteilte er die iranische Fatwa gegen Salman Rushdie. Die Auszeichnung für Pamuk könne zu politischen Turbulenzen führen, sagte Engdahl. Aber das sei für das Nobelkomitee ohne Belang.

Der 1952 in Istanbul geborene Autor, zu dessen Hauptwerken "Rot ist mein Name" und "Schnee" zählen, habe "auf der Suche nach der melancholischen Seele seiner Heimatstadt neue Symbole für den Zusammenprall und die Vernetzung von Kulturen gefunden", lobt die Akademie. In seinem Leben habe er den Wandel vom traditionellen osmanischen Familienleben zu einem eher westlich orientierten Lebensstil erfahren, hieß es weiter. "Er schrieb darüber in seinem ersten Roman, einer Familienchronik, die im Geiste Thomas Manns der Entwicklung einer Familie über drei Generationen folgt."

Pamuk schaffte nach Darstellung des Komitees seinen internationalen Durchbruch mit dem dritten Roman, "Die weiße Festung", der im Istanbul des 17. Jahrhunderts angesiedelt ist. Das Buch handele aber hauptsächlich davon, wie sich das Ich durch Geschichten und Erzählungen verschiedenster Art bildet. Pamuk zeige damit, dass Persönlichkeit eine variable Konstruktion sei.

Freude bei Autorenkollegen in der Türkei

Der Vorsitzende einer Gruppe ultranationalistischer Anwälte, die an der Anklage gegen Pamuk beteiligt war, erklärte, er schäme sich für die Entscheidung des Nobelkomitees. Der Preis sei aus politischen Gründen vergeben worden, weil Pamuk die nationalen Werte herabgewürdigt habe, kritisierte Kemal Kerincsiz.

1963 ging der Literaturnobelpreis an den Izmir geborenen griechischen Lyriker Giorgos Seferis. 2005 wurde der Brite Harold Pinter geehrt, davor die Österreicherin Elfriede Jelinek. Die Auszeichnung ist mit zehn Millionen Kronen (rund 1,07 Millionen Euro) dotiert und wird gemeinsam mit den anderen Nobelpreisen am 10. Dezember vergeben, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.

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