Neues Buch des französischen Autors Houellebecqs weinerliche Porno-Beichte

Analyse · Der Verfasser von „Elementarteilchen“ schildert auf 107 Seiten in allen Einzelheiten, wie es zu einer Sexaffäre kam. In der Übersteigerung seines Opferstatus geht Houellebecq so weit, seine freiwillige Mitwirkung mit der Vergewaltigung einer Frau zu vergleichen.

 Der französische Autor Michel Houellebecq im Jahr 2015 in Köln. (Archivfoto)

Der französische Autor Michel Houellebecq im Jahr 2015 in Köln. (Archivfoto)

Foto: dpa/Oliver Berg

Kakerlake, Sau und Pute: Michel Houellebecq hat für sein neues Buch die Tierwelt genau studiert. Die drei Tiere sind die Hauptfiguren von „Quelques mois dans ma vie“ (Einige Monate in meinem Leben), das am Mittwoch in Frankreich erschienen ist. In einer Art Beichtstuhl-Monolog beschreibt der 67-Jährige auf 103 Seiten die Zeit zwischen Oktober 2022 und März 2023, als er in gleich zwei Skandale verwickelt war.

Das in nur 17 Tagen entstandene Werk besteht in erster Linie in einer larmoyanten Opferschilderung des weltweit bekannten Schriftstellers. Seine Mitwirkung in einem Pornofilm, die große Wellen schlug, beschreibt er in einem Großteil des Buches als eine Mischung aus Naivität und Alkoholeinfluss. „Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wie als Objekt in einer Tierdokumentation behandelt“, erinnert er sich an den Dreh des Sextapes. In der Übersteigerung seines Opferstatus geht Houellebecq sogar so weit, seine freiwillige Mitwirkung an der Produktion mit der Vergewaltigung einer Frau zu vergleichen. Die „Schreie“ der Frauen, die gegen diesen unangemessenen Vergleich protestieren, nimmt der Autor bereits vorweg. „Die Feministinnen mögen mich nicht und ich mag sie auch nicht“, schreibt er.

Der Verfasser von „Elementarteilchen“ schildert in allen Einzelheiten, wie es zu der Sexaffäre kam. Zunächst habe er lediglich einen flotten Dreier zusammen mit seiner Frau und einer jungen Niederländerin drehen wollen, die er als „die Sau“ betitelt. Zusammengebracht habe die drei der niederländische Regisseur Stefan Ruitenbeek alias „die Kakerlake“. Nach der Aufzeichnung einiger Szenen „vager Zärtlichkeiten“ in Paris habe Ruitenbeek ihm einen Vertrag untergeschoben, den er unter Einfluss von Alkohol und Psychopharmaka unterzeichnet habe, ohne ihn sich genauer durchzulesen. Dafür können die Leserinnen und Leser nun überprüfen, was in dem Dokument steht - es ist nämlich Teil des Buches.

Als Grund, überhaupt in den Sexfilm eingewilligt zu haben, gab Houellebecq im Interview mit der Zeitung „Le Figaro“ Eitelkeit an, die einen glauben lasse, von der der ganzen Welt begehrt zu werden. „Ich habe mir nicht erträumt, dass angesichts meiner Berühmtheit meine sexuellen Aktivitäten einen Verkaufswert haben könnten.“

Entschuldigung bei den Muslimen

Ruitenbeek versuchte auf alle Fälle, aus Houellebecq Kapital zu schlagen. Der Vertrag erlaubt es ihm, alle aufgezeichneten Szenen in seinem Film Kirac 27 zu verwenden, in dessen Trailer der Autor bereits zu sehen ist. Houellebecq zog vor Gericht, um die Ausstrahlung auf juristischem Wege zu stoppen und erzielte vor einigen Tagen einen Teilerfolg: Ruitenbeek muss ihm den Film vor der Ausstrahlung zeigen und gegebenenfalls einige Sequenzen entfernen. Sein Buch solle ihm nun zum „Exorzismus“ dienen, schreibt Houellebecq: „Gegen diese drei menschlichen Abfälle: die Kakerlake, die Sau und die Pute.“

Ähnlich schlecht wie die Beteiligten der Porno-Affäre kommt der Philosoph Michel Onfray weg, dem der Schriftsteller im Herbst ein 45 Seiten langes Interview für die rechtspopulistische Zeitschrift „Front populaire“ gab. Darin warnt Houellebecq vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Frankreich - ähnlich wie in seinem Roman „Unterwerfung“. Eingewanderte Muslime könnten sich bewaffnen und so die Gegenwehr der Französinnen und Franzosen hervorrufen: Mit Anschlägen gegen muslimische Cafés und Moscheen, „kurz gesagt: umgekehrten Bataclans“. Beim Anschlag auf den Pariser Konzertsaal Bataclan und mehrere Cafés hatten islamistische Attentäter vor gut sieben Jahren 130 Menschen getötet.

Gleichzeitig unterstellte der Schriftsteller seinen muslimischen Landsleuten, die „Ur-Franzosen“ bestehlen und angreifen zu wollen. Seine Äußerungen brachten Houellebecq heftigen Protest des Rektors der Großen Moschee von Paris, Chems-Eddine Hafiz, ein, der mit juristischen Konsequenzen drohte. Nach einem Gespräch mit Hafiz korrigierte Houellebecq seine Äußerungen, die er nun als „Dummheit“ bezeichnet. „Ich bedauere das wirklich und entschuldige mich bei allen Muslimen, die dieser Text beleidigen konnte - das heißt, bei fast allen Muslimen.“

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