Buchmesse in Leipzig E-Books warten noch auf Leser

Leipzig · Am Vorabend der Leipziger Buchmesse rätseln viele über die Zukunft digitaler Literatur. Vor allem bei Kindern spielen E-Books noch immer keine große Rolle.

Leipziger Buchmesse: E-Books warten noch auf Leser
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Es war einmal eine Zeit, da kam in der Buchbranche Goldgräberstimmung auf. Und das Edelmetall, das es zu schürfen gab, schien digital zu sein. Das erschreckte zunächst einige Verleger und noch mehr Buchhändler, die sich um das Gutenberg-Erbe betrogen fühlten. Schließlich ging es dabei um einen dicken Kuchen: Bei über 9,5 Milliarden Euro lag zuletzt der Jahresumsatz der Branche.

Weil sich mit einem E-Book eine Geschichte erzählen und Geld verdienen lässt, machte sich bald eine angenehme Aufbruchsstimmung breit. Und die rasanten Zuwachsraten im digitalen Buchbereich aus den USA nährten solche Hoffnungen. Es ging sogar die Mär um, dass ein schwedisches Möbelhaus die Produktion seines legendären Bücherregals bald einstellen würde, da es auf absehbare Zeit nichts Gedrucktes mehr zu deponieren gäbe.

Der Markt stagniert

So weit das schöne Märchen, das schneller ausgeträumt war, als es den Beteiligten lieb sein konnte. Dabei zeigen sich die Anbieter mehr als gewappnet: Mittlerweile führen 77 Prozent aller Buchhandlungen digitale Bücher, die von 65 Prozent aller Verlage produziert werden. Die Nachfrage kurbelt das aber nur bedingt an. Betrug die Steigerungsrate im E-Book-Verkauf 2013 noch schwindelerregende 60,5 Prozent, so lagen im vergangenen Jahr die Zuwächse bei nur noch 7,6. Zugegeben, der Anteil am Gesamtumsatz von 4,3 Prozent ist keine Kleinigkeit. Doch eine digitale Revolution gebärdet sich mit imposanteren Zahlen.

Schon macht sich die Stimmung breit, dass sich der E-Book-Markt in seiner jetzigen Form der Sättigung nähern könnte, so Claudia Paul, Sprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Zumal sich eine solche Entwicklung derzeit auch in den USA abzeichnet, wenngleich der digitale Markt dort auf einem erheblich höheren Niveau stagniert: Bei etwas mehr als 20 Prozent liegt dort der E-Book-Anteil — allerdings in einem Land, dessen Menschen als allgemein technikfreundlicher gelten und dessen Buchhandlungsdichte vergleichsweise gering ist.

Bei Kindern ohne Chance

Aufschlussreicher für den deutschen Markt ist darum das Leserverhalten bei E-Books, über das inzwischen etliche Studien Auskunft geben. Danach scheidet das digitale Buch als Vorlesebuch für Kleinkinder praktisch aus. Nur sechs Prozent der E-Book-Vielkäufer würden Kindern aus einem digitalen Werk vorlesen. Zudem bleibt als Geschenk für Kinder und Jugendliche das gute alte Druckwerk — man spricht heutzutage von einem physischen Buch — für 75 Prozent attraktiver.

Im Grunde hat der Einzug der E-Books in den Lebens- und Lesealltag junger Menschen noch gar nicht stattgefunden. Bloß fünf Prozent von Jugendlichen lesen nach einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest regelmäßig elektronische Bücher.

Das E-Book ist tot, es lebe das E-Book

Auch im politischen Raum scheint es noch an Akzeptanz fürs E-Book als Kulturgut zu mangeln. Jüngst erklärte es der Europäische Gerichtshof für unrechtmäßig, dass auch für E-Books ein verminderter Mehrwertsteuersatz gilt. Der Protest der Branche kam prompt, war aber alsbald verklungen. Zumal der Erfolg der preiswerteren E-Books nicht so sehr vom Steuersatz abhängt. Vielmehr wird befürchtet, das übers digitale Buch der verminderte Mehrwertsteuersatz für gedruckte Bücher mal wieder gefährlich ins Gerede kommen könnte.

Das E-Book ist tot, es lebe das E-Book. Doch in welcher Editionsform künftig der Durchbruch gelingen wird, weiß niemand.

Ein Märchen mit ungewissem Ausgang

Manche schwören jetzt auf Apps oder garnieren ihre E-Books mit Animationen. Der Verlag Ravensburger stellt seinen jüngsten Kunden einen quietschfidelen Leseraben an die digitale Seite. Hanser hingegen hat einen eigenen Verlagszweig eröffnet, der Hanser-Box heißt und mit ausschließlich digitalen Werken vor allem auf Aktualität setzt. Vier Wochen dauert es von der Einreichung des Manuskripts bis zur E-Book-Veröffentlichung — etwa zu Themen wie AfD und Pegida. Schnelle Essays für ein paar Euro. Mit viel Begleitmusik in den sozialen Medien lässt sich auch dafür Aufmerksamkeit wecken. Als erfolgreich aber zählen dann schon Produkte mit Verkaufszahlen im oberen dreistelligen Bereich.

Die digitale Zukunft unserer Literatur ist ein Märchen mit ungewissem Ausgang. Kein Grund zur Beunruhigung. Mit jährlich knapp 80.000 gedruckten Neuerscheinungen hierzulande lässt sich die Wartezeit bis dahin ganz gut lesend überbrücken.

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