Kulturtipps fürs Wochenende Draußen stürmt’s - drinnen stehen die Zeichen auf Genuss

Am Samstag und Sonntag wird das Wetter rau. Hier einige Tipps für ein anregendes Wochenende zu Hause, dieses Mal von RP-Podcastchefin Helene Pawlitzki.

 Ein Tipp fürs Wochenende: das neue Album „Revolutionary Love“ von Ani Difranco.

Ein Tipp fürs Wochenende: das neue Album „Revolutionary Love“ von Ani Difranco.

Foto: Helene Pawlitzki

Irgendwie ist draußen Aprilwetter, dabei ist erst Mitte März. Ganz bestimmt werde ich am Wochenende mal ein Stündchen ohne Sturm und Regen abpassen, um einen Spaziergang im Park zu machen. Aber auch sonst wird es sicher nicht langweilig.

Freitagabend kochen mein Mann und ich gerne lang und ausgiebig. Es ist keine Seltenheit, dass wir um 19 Uhr anfangen und erst nach 22 Uhr zu Messer und Gabel greifen, weil wir uns bewusst Zeit lassen für die einzelnen Zubereitungsschritte. Es ist ein schöner Einstieg ins Wochenende, besonders nach einer langen, stressigen Woche. Vielleicht ist es diesen Freitag mal wieder Zeit für eine echte Bolognese.

Falls Sie sich jetzt fragen, was ein Soßenrezept zwischen Kulturtipps zu suchen hat: Kochen, essen, genießen sind selbstverständlich kulturelle Akte. Die italienische Küche ist immaterielles Unesco-Kulturerbe. Und ein klassisches Ragú Bolognese kann ein Kunstwerk sein!

Viel Gewese wird darum gemacht, dass es ein sogenanntes Originalrezept für Bologneser Sauce gibt. Im Netz finden sich reichlich Seiten, die dieses Originalrezept versprechen. Nur unterscheiden sie sich halt voneinander in kleinen Einzelheiten. Nur mal als Beispiel hier die italienische Variante der Mailänder Accademia Italiana della Cucina und ein Artikel des Kochmagazins Effilee.

Ich persönlich glaube, dass Originalrezepte nachzukochen ein spannendes Projekt sein kann. Aber der Reiz des Kochens liegt gerade darin, sie dann dem eigenen Geschmack anzupassen. Ganz zu Schweigen davon, dass man halt schauen muss, was gerade im Kühlschrank ist. Meine Empfehlungen für eine gute Bolo: Ich mag sie lieber mit gemischtem Hack als nur mit Rind, dann wird sie gehaltvoller. Es lohnt sich, echten Pancetta aufzutreiben, auf jeden Fall sollte es ungeräucherter Speck sein. Öffnen Sie einen vernünftigen Weißwein (nein, keinen Roten) zum Ablöschen, dann haben Sie während der langen Schmorzeit etwas, das die Zeit vertreibt. Investieren Sie auch in wirklich gute Dosentomaten, die kosten nicht die Welt und machen wirklich einen Unterschied. Und für mich muss es Sahne sein, nicht Milch, die am Ende der Soße abrundet.

Spaghetti sind übrigens gar nicht so geeignet als Bolognese-Vehikel. Klassisch wären Tagliatelle, aber wir essen meist Spirelli oder eine andere kurze Pasta für ein gutes Nudel-Soßen-Verhältnis auf dem Löffel. Ach ja, und kochen Sie gleich die doppelte Menge. Die Soße lässt sich fantastisch einfrieren. Eines schönen Sonntagabends werden Sie mir danken.

Unfassbar, wie lange man über Pastasoße reden kann, oder? Ich gebe es zu, wenn’s ums Kochen und Essen geht, habe ich manchmal Schwierigkeiten, ein Ende zu finden. Und offenbar auch, wenn’s ums Schreiben übers Kochen geht. Wenn Sie gerne über Kulinarik in allen Spielarten lesen, besorgen Sie sich in der nächsten gutsortierten Zeitschriftenhandlung doch mal das aktuelle Heft der oben erwähnten Effilee. Ich freue mich schon darauf, Samstagmorgen auf dem Sofa zu liegen und die „Weinseiten“ mit dem charmanten Titel „Vierzehnkommafünf“ zu lesen, die habe ich mir noch aufgespart. Effilee erscheint vierteljährlich, da muss man ein bisschen haushalten. In Heft Nummer 56 dieses „kulinarischen Kulturmagazins“ geht es um die Gefahren von Insekten als Speise, Terroir beim Gemüse und Trüffelhuhn. Unter anderem.

Passend zum freitäglichen Schmorgericht übrigens, dessen Luxus darin liegt, sich mal richtig Zeit für etwas zu nehmen, möchte ich einen Podcast empfehlen, den es in keiner Podcast-App gibt. Kennen Sie „Die lange Nacht“ vom Deutschlandfunk? Wahrscheinlich nur dann, wenn Sie unter Schlaflosigkeit leiden oder gerne lange nächtliche Autofahrten unternehmen. Jeden Samstag ab 23.05 Uhr sendet der Deutschlandfunk drei Stunden Feature zu einem Thema. Drei Stunden! Ist das nicht großartig?

Ich übertreibe nur ganz leicht, wenn ich sagte, dass mir eine „Lange Nacht“ zum Komponisten Cole Porter mal meine geistige Gesundheit gerettet hat. Ich musste am nächsten Tag nach Ghana fliegen, hatte noch nicht gepackt, startete wegen verschiedener Dinge erst um 21 Uhr im Norden von Sachsen-Anhalt und blieb genau 700 Meter die Straße runter mit leergelaufenem Kühler liegen. Bis ich dann im Leihauto auf der A2 Richtung Nordrhein-Westfalen unterwegs war, war ein erbsensuppendicker Nebel aufgezogen. Finden Sie mal in einem fremden Auto die Nebelschlussleuchte! Nur ein gutgemachtes Feature im Radio hat mich vermutlich davor bewahrt, rechts ranzufahren und heulend zusammenzubrechen.

Die „Lange Nacht“ nimmt sich richtig Zeit, Themen oder Biografien nachzuspüren – mit langen Texten, von ausgezeichneten Sprechern gelesen, mit Originaltönen und Musik. Zuletzt habe ich die Sendung zu Friedrich Dürrenmatt, dem menschlich überaus merkwürdigen, aber wahnsinnig erfolgreichen Schweizer Dramatiker gehört. Jetzt freue ich mich auf die Sendung über Alfred Wegener, den Polarforscher.

Hören können Sie die Episoden entweder über die Deutschlandfunk-Audiothek-App oder hier auf der Seite des Deutschlandfunks.

Irgendwann am Samstagabend werde ich vermutlich endlich mal ein Album hören, das schon seit geraumer Zeit in meinem Regal auf mich wartet: die neue Platte der amerikanischen Singer-Songwriterin Ani Difranco. Seit Teenagerzeiten bin ich Fan ihrer Musik, allerdings gefallen mir ihre Alben sehr unterschiedlich gut, und nach dem Reinhören in einige Songs vermute ich, dass „Revolutionary Love“ nicht in die Top 10 meiner Favoriten aufsteigen wird. Ich mag Ani Difrancos persönlichere Songs deutlich lieber als die politischen, sowohl inhaltlich als auch musikalisch, und dieses neue scheint mir eher ein politisches Album zu sein; kein Wunder, wenn man bedenkt, in welcher Zeit es entstand. (Dass Difranco die Trump-Ära ohne Nervenzusammenbruch überstanden hat, erscheint mir ein Wunder. Aber was weiß ich schon, vielleicht hatte sie einen? Vielleicht mehrere?)

Ich habe auf die harte Tour gelernt, dass Ani Difrancos Musik polarisiert. Vielleicht ist sie ja wirklich objektiv nicht so wunderschön, wie sie mir (zumindest teilweise) erscheint. Oder vielleicht fällt es manchen Menschen auch schwer, über Difrancos teils doch recht radikalen Feminismus hinwegzusehen. Wenn Sie den Einstieg wagen wollen, hören Sie doch mal in den Titeltrack des Vorgängeralbums „Binary“ rein (aber ignorieren Sie bitte das nicht furchtbar originelle Video). Ein Song darüber, dass wir als Menschheit nur bestehen können, wenn wir es schaffen, eine Verbindung miteinander einzugehen. Maceo Parker spielt Saxofon, mindestens das müsste Ihnen doch gefallen!

Für einen tieferen Einstieg empfehle ich Ihnen gerne mein Lieblings-Difranco-Album „Evolve“, für dessen Produktion sie einen Grammy bekommen hat (was ihr aber nach eigener Aussage egal ist). Oder Sie lesen Difrancos Memoiren „No Walls and the Recurring Dream“ (ISBN 978-0735225190), in der sie alles erzählt, von ihrer katastrophalen Kindheit über ihre Anfänge als Folkmusikerin, die mit rasiertem Schädel durchs Herz der USA reiste, stets misstrauisch beäugt von Redneck-Cops, bis hin zum steten Wachsen und Gedeihen des eigenen Labels, das sie mit 18 Jahren gründete. Das Buch gibt es auch als Hörbuch, auf Deutsch ist es aber bislang leider nicht erschienen.

Apropos Memoiren unkonventioneller Frauen, falls mir der Lesestoff ausgeht, kaufe ich mir vermutlich „Priestdaddy“ von Patricia Lockwood als E-Book, das skandalöserweise auch noch nicht auf Deutsch erschienen ist, und verschlinge es. Sie erzählt von ihrem Lebens als Tochter eines katholischen Priesters. Wie bitte!? Jawohl. Sowas gibt es, ganz legal.

Sonntag wird’s dann aber endlich Zeit fürs Fernsehen. In Zeiten der Streamingdienste darf man das ja nicht vernachlässigen, sonst kommt man schnell nicht mehr hinterher. Mein Mann und ich mögen’s hart, wenn’s um Filme und Serien geht. Auf Netflix schauen wir gerade „Fauda“, eine israelische Produktion. Es geht um eine Eliteeinheit des israelischen Militärs, die, getarnt als Araber, Missionen im Gazastreifen ausführt. „Fauda“ ist arabisch für Chaos und die Serie schafft es, das totale menschliche Chaos zu zeigen, das im Nahen Osten Frieden verhindert und unfassbare Gewalt hervorruft. Und zwar auf beiden Seiten. Der Hass und die Verbitterung sind so groß, dass Israelis wie Palästinenser – so wird es zumindest gezeigt – ständig alle Regeln über Bord werfen. Zugleich sind die Menschen, die sich da gegenseitig bekriegen, Liebende, Väter, Schwestern, Freunde. Wie passt das zusammen?

Falls Sie immer schon mal wissen wollten, wie eine Gewaltspirale aussieht: Schauen Sie „Fauda“. Klingt heiter, oder? Aber die Serie ist wahnsinnig spannend, unglaublich gut geschrieben und toll gespielt. Es lohnt sich wirklich. Von seiner politischen Haltung zu den Geschehnissen im Nahen Osten sollte man sich allerdings davon nicht abbringen lassen, ein politisches Urteil spart „Fauda“ ziemlich aus. Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finde.

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