Tote Verwandte als Inspiration Kleist-Preisträgerin hatte "poetische Kindheit"

Frankfurt/Main (rpo). Emine Sevgi Özdamar, die diesjährige Kleist-Preisträgerin, kam durch den Wunsch, sich an die Toten zu erinnern, zum Schreiben. In ihrem ersten Buch "Das Leben ist eine Karawanserei" habe sie mit der Einsicht begonnen, dass sie selbst eine sehr schöne, poetische Kindheit gehabt habe.

Die Menschen allerdings, die da eine Rolle gespielt hatten, waren schon tot, sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". So habe sie sich diese Personen wieder ins Gedächtnis gerufen, zugleich damit aber auch die Erinnerung für andere beschworen. Dies sei bis heute ihr Bedürfnis: "Figuren, die mir enormen Spaß gemacht hatten, anderen zu schenken, damit die auch Spaß haben."

Durch ihre Lesungen quer durch die deutsche Provinz habe sie außerdem erfahren, dass Deutschland "voller sensibler Menschen" sei. Zunächst sei sie in den kleinen, grauen Orten angekommen und habe sich gefragt: "Wer soll hier zu meiner Lesung kommen?" Und dann hätten abends doch sensible Menschen da gesessen. Das habe ihr gut gefallen. Nach den Lesungen habe sie immer das Gefühl gehabt, dass sie sich von Freunden getrennt habe.

Zugleich äußerte sich Özdamar besorgt, über immer mehr junge Musliminnen, die in der Öffentlichkeit ein Kopftuch tragen. Es gebe Gruppierungen, die die Islamisierung voran trieben, sagte Özdamar. Sie glaube, dass dies mit dem Vormarsch des Islamismus in gewissen Staaten einhergehe. Diese Staaten unterstützten solche Bewegungen. "Religion ist zur Kriegsmaschine geworden. Das ist beängstigend", sagte Özdamar. Sie selbst bekomme von Nationalstolz "Allergien". Es reiche zu sagen, "ich bin da oder dort geboren. Mehr nicht".

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort