LitParade Johann Hinrich Claussen: Moritz und der liebe Gott

Das Kickboard ist wichtig. Mit dem kann Moritz einfach davonsausen - wenn es in der Wohnung zu still wird, weil der Vater ausgezogen ist. Auf dem Kickboard verfliegt die Zeit und die innere Unruhe, wenn es in der Schule wieder einmal nicht so gut läuft oder er vor Aufregung stottert und kein Wort rausbringt. Poltern nennt er das.

<P>Das Kickboard ist wichtig. Mit dem kann Moritz einfach davonsausen - wenn es in der Wohnung zu still wird, weil der Vater ausgezogen ist. Auf dem Kickboard verfliegt die Zeit und die innere Unruhe, wenn es in der Schule wieder einmal nicht so gut läuft oder er vor Aufregung stottert und kein Wort rausbringt. Poltern nennt er das.

Darum ist das Kickboard so enorm wichtig, und obendrein ein Zufallsnavigator. Einmal führt es ihn zu einer Kirche in der Stadt. Eine alte Oma sitzt darin: Frau Schmidt. Und dann führt ihn das Gefährt zur Bücherei. Da arbeitet eine junge Frau: Sabine.

Diese beiden Menschen werden für Moritz so wichtig wie das Kickboard. Denn irgendwie kann man ihnen auch davonsausen, zum Beispiel mit ihren Geschichten von Jesus und Paulus und Jacob und Mose. Die stehen alle in der Bibel. Frau Schmidt, die im Altenheim wohnt, hat eine ganz alte aus ihrer Familie. Und Sabine, in die sich Moritz ein ganz klein wenig verliebt und die Theologie studiert hat, ordnet viele verschiedene Bibelausgaben in den Regalen.

Für Moritz beginnt das Wundern. Darüber, wie spannend die Geschichten sind, wie sie mal das eigene Leben erklären und manchmal scheinbar daneben liegen. Klare Sache, wenn einem auf die Wange geschlagen wird und man dann noch die andere Wange hinhalten soll, wie Jesus meint, kann man sich in der Schule "gleich einsargen lassen". Oder auch nicht. Ob Moritz jemals glauben oder sogar beten wird wie Frau Schmidt jeden Abend? Ganz schwer zu sagen. Aber diese Geschichten aus dem dicken Buch - die lassen ihn so schnell nicht mehr los.

Von Lothar Schröder

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