Abschluss der Frankfurter Buchmesse Aleida und Jan Assmann mit Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet

Frankfurt · Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gehört zu den renommiertesten Auszeichnungen im deutschen Kulturbetrieb. Am Sonntag wurde er zwei Menschen überreicht, die privat und wissenschaftlich eng verbunden sind.

 Aleida und Jan Assmann bei der Verleihung des Friedenspreises.

Aleida und Jan Assmann bei der Verleihung des Friedenspreises.

Foto: dpa/Arne Dedert

Aleida und Jan Assmann: sie Anglistin und Ägyptologin, er Kulturwissenschaftler und Ägyptologe. Seit Jahrzehnten spielen die beiden im deutschen und internationalen Wissenschaftsbetrieb eine wichtige Rolle, prägen Debatten, auch weit über akademische Zirkel hinaus. Am Sonntag erhielten sie zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche den mit 25.000 Euro dotierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Die Bekanntgabe der Auszeichnung sei für sie "eine überwältigende Überraschung" gewesen, sagte Jan Assmann bei der im Wechsel mit seiner Ehefrau vorgetragenen Dankesrede. "Dieser Preis ist für uns ein Ehrenbürgerbrief in der Res publica literaria, dem Heimatland, das keine nationalen Grenzen kennt." Mit dem lateinischen Begriff wird in den Geisteswissenschaften die Verbindung des internationalen Wissenschaftsbetriebs als "Republik der Gelehrten" bezeichnet.

Einmal mehr präsentierte sich das seit 1968 verheiratete Paar, das bereits mehrfach für die gemeinsame Arbeit ausgezeichnet wurde, als routinierte Einheit. "Wir haben immer zusammenarbeiten wollen", hatte Aleida Assmann kurz zuvor bei einem Auftritt auf der Buchmesse betont. Und ihr Mann Jan ergänzte: "Natürlich haben wir vom Frühstück bis zum Abendessen miteinander geredet."

Ein Schlüsselbegriff in beider Wirken ist das "Kulturelle Gedächtnis" und die Frage, welche Faktoren zu Identitäts- und Bewusstseinsbildung menschlicher Kulturen und Gesellschaften beitragen. Dabei geht es nicht nur um den Blick zurück, wie das 2006 erschienene Buch "Der lange Schatten der Vergangenheit" von Aleida Assmann zeigt. Die heute 71-Jährige untersucht darin Spannungen zwischen persönlicher Erfahrung und offiziellem Gedenken und gibt Ratschläge für eine angemessene Erinnerungskultur.

Jan Assmann, der Ägyptologie, Klassische Archäologe und Gräzistik in München, Heidelberg, Paris und Göttingen studiert hat, widmete sich zunächst dem gesellschaftlichen Leben im alten Ägypten - angefangen bei dem Zeitverständnis über die Vorstellung von Tod und Jenseits bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Gottesbild. Doch auch der 80-Jährige denkt seit langem über einzelne Disziplinen hinaus, verknüpft Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft. In seinem 2016 erschienenen Buch "Totale Religion" setzt er sich mit aktuellen Diskussion über das Gewaltpotential monotheistisch geprägter Gesellschaften auseinander.

Genau für diese Brückenschläge und ihr "zweistimmiges Werk", das für zeitgenössische Debatten "und im Besonderen für ein friedliches Zusammenleben auf der Welt von großer Bedeutung" sei, wurde das Forscherpaar nun mit dem renommierten Friedenspreis geehrt.

Zur Begründung heißt es mit Blick auf Aleida Assmann: "Angesichts einer wachsenden politischen Instrumentalisierung der jüngeren deutschen Geschichte leistet sie in hohem Maße Aufklärung zu Fragen eines kulturellen Gedächtnisses einer Nation." Jan Assmann fördere mit seinen Schriften zum Zusammenhang von Religion und Gewalt sowie zur Genese von Intoleranz und absolutem Wahrheitsanspruch das Verständnis der Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit der Religionen.

Beide sind weiter wissenschaftlich aktiv. Und setzen so den Weg fort, der 1968 bei gemeinsamen archäologischen Grabungen in Oberägypten begann. Dabei eint sie das Talent, Experten verschiedenster Fächer miteinander ins Gespräch zu bringen. Das machte sich schon 1978 bei der Gründung des Arbeitskreises "Archäologie der literarischen Kommunikation" bemerkbar.

An brandaktuellen Themen für die künftige Arbeit dürfte kein Mangel herrschen, wie etwa die Äußerungen der AfD zum Umgang mit der NS-Zeit zeigen. So hatte deren Bundestags-Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland im Juni mit der Aussage, Hitler und die Nationalsozialisten seien "nur ein Vogelschiss" in 1.000 Jahren deutscher Geschichte gewesen, für Empörung gesorgt.

Ohne diesen beim Namen zu nennen, warnte Aleida Assmann am Sonntag vor einem übersteigerten Patriotismus: "Die Nation ist kein Heiliger Gral, der vor Befleckung und Entweihung - Stichwort Vogelschiss - zu retten ist, sondern ein Verbund von Menschen, die sich auch an beschämende Episoden ihrer Geschichte erinnern und Verantwortung übernehmen für die ungeheuren Verbrechen, die in ihrem Namen begangen wurden." Die Professorin stellte klar: "Beschämend ist allein die Geschichte, nicht aber die befreiende Erinnerung, die wir mit den Opfern teilen."

(hebu/kna)
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