Buch-Kritik Elias Khoury: Das Tor zur Sonne

Elias Khourys Hauptwerk "Das Tor zur Sonne" wurde mit dem Palästinapreis ausgezeichnet - als ein Roman, der in einzigartiger Weise das Schicksal der vertriebenen Palästinenser thematisiere. Der 1948 in Beirut geborene Schriftsteller gilt als einer der wichtigsten arabischen Autoren, der die Ereignisse im Nahen Osten kritisch kommentiert.

 "Das Tor zur Sonne" von Elias Khoury.

"Das Tor zur Sonne" von Elias Khoury.

Foto: Klett-Cotta

Von Yunus, dem radikalen Widerstandskämpfer, und dem palästinensischen Exodus handelt dieser groß angelegte Roman. Schauplatz ist ein zerstörtes Krankenhaus im palästinensischen Flüchtlingslager Schatila in Beirut. Dort wird der schwerkranke Yunus nach Jahren des Kampfes von seinem Freund, dem um einige Jahre jüngeren Khalil, mit Hingabe gepflegt. Yunus liegt im Koma und Khalil, Bewunderer und Ziehsohn des sagenumwogenen Freiheitskämpfers, lässt in endlosen Monologen am Bett des Dahinsiechenden die Geschichte und das Leiden der Palästinenser wiedererstehen und berichtet wie nebenbei von zwei Liebesgeschichten - der von Yunus und seiner eigenen - die in ihrer Tragik Spiegel der palästinensischen Katastrophe sind.

In nahezu unüberschaubaren, ineinander verwobenen Handlungssträngen treffen ganz unterschiedliche Personen aufeinander, ein Flickenteppich aus berührenden Einzelschicksalen entsteht. Im Vordergrund stehen Vertreibung und Exil der Palästinenser, von denen nicht wenige bis zum Tod um die zerstörte und besetzte Heimat kämpfen.

Khalil, der im Beirut der 90er Jahre den Kampf verloren glaubt und eine schwere Identitätskrise durchlebt, versucht mit seinen ungehörten Reden Kraft zu schöpfen, sich wiederzufinden und den nach einem Schlaganfall halbtoten Yunus zurück ins Leben zu holen - stellvertretend für all die Kämpfer, die aufgeben wollen. Yunus' Tod käme für Khalil einer Kapitulation gleich nach all den harten Jahren seit der Vertreibung der Palästinenser aus Israel 1948.

Beeindruckend sind die vielen fragmentarischen Flüchtlingserzählungen, in denen das unfassbare Leiden der Menschen auf der palästinensischen wie auf der israelischen Seite deutlich wird. Keine leichte Lektüre bietet Khoury, denn neben dem schwer verdaulichen Inhalt macht es sein der oralen Erzähltradition entlehnter orientalischer Stil über weite Strecken unmöglich, Charaktere und Schicksale Einzelner herauszufiltern und in eine Struktur zu bringen - eine stilistische Zerrissenheit, die mit der inneren Zerrissenheit der Menschen korrespondiert, deren Identität längst im Nahost-Konflikt untergegangen ist.

(AP)
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