"Bürgerschreck und Theater-Tyrann" Brecht Der große "B. B." starb vor 50 Jahren

Berlin (rpo). Kaum jemand kommt in diesen Tagen an Bertolt Brecht vorbei, am Montag jährt sich der Todestag des Dichters und Denkers zum 50. Mal. Das schönste Geschenk wäre dem "Bürgerschreck" sicher selbst gewesen, dass er auch heute noch auf den Bühnen in aller Welt gespielt wird. Jüngstes Beispiel ist die "Dreigroschenoper" mit Campino. Doch nur mit dem Stichwort "Theater" wird man dem Schriftsteller nicht gerecht.

 Das undatierte Archivbild zeigt Schriftsteller Bertolt Brecht. Bertolt Brecht ist in seinem Heimatland kaum bekannt. Eine repraesentative Befragung des Literaturmagazins "bcher" zum 50. Todestag Brechts am 14. August hat ergeben, dass 42 Prozent der Deutschen noch nie einen Text des groen Dramatikers gelesen haben. Die Mehrheit (55 Prozent) hatte zuletzt in der Schulzeit Kontakt mit Brechts Werk und die allermeisten seither nie wieder.

Das undatierte Archivbild zeigt Schriftsteller Bertolt Brecht. Bertolt Brecht ist in seinem Heimatland kaum bekannt. Eine repraesentative Befragung des Literaturmagazins "bcher" zum 50. Todestag Brechts am 14. August hat ergeben, dass 42 Prozent der Deutschen noch nie einen Text des groen Dramatikers gelesen haben. Die Mehrheit (55 Prozent) hatte zuletzt in der Schulzeit Kontakt mit Brechts Werk und die allermeisten seither nie wieder.

Foto: ZENTRALBILD, AP

Schon der junge Berthold Eugen Brecht provoziert: Seine Markenzeichen sind "jene ewige Mütze, die in der Unterwelt üblich war, eine Jacke aus schäbigem Leder und eine enorme Zigarre". Weshalb sich der 1898 in Augsburg geborene Sohn eines Fabrikdirektors zum Literatur-Rebell entwickelt, ist laut Brecht-Biograf Reinhold Jaretzky noch immer rätselhaft.

Brecht inszeniert sich als Proletarier und Anarchist: Die braven Bürger wenden sich verschreckt ab, wenn er mit seinen Dichterfreunden durch die Straßen des nächtlichen Augsburg zieht und Mädchen nachstellt. Sein Medizinstudium, das er zu keinem Zeitpunkt ernsthaft verfolgt, erspart ihm die Front. Als Sanitäter wird er in einem Lazarett eingesetzt - ein Erlebnis, das dem 20-Jährigen die Kriegsschrecken vor Augen führt.

Sein Durchbruch als Autor gelingt Brecht mit dem Revolutionsstück "Trommeln in der Nacht", das 1922 in München uraufgeführt wird. Dort kommt es bald zu den ersten Nazi-Übergriffen auf seine Stücke. Brecht zieht ins pulsierende Berlin, wo er den Ruf eines Avantgardisten genießt und ansehnliche Gagen kassiert. Hier ändert er seinen Vornamen in "Bertolt", um ihn an den seines Freundes Arnolt Bronnen anzupassen.

Ruf eines Egozentrikers eilte Brecht voraus

Der Nonkonformist will nicht weniger als das bürgerliche Theater revolutionieren: Alles Gefühlsduselige soll verschwinden. "Das Gefühl ist Privatsache und borniert", stellt der Dichter fest. Kühl-ironisch und vor allem lehrreich - so sollen die neuen Gebrauchsstücke sein. Immer häufiger zeigt Brecht seine Protagonisten in den Rollen von Opfern: Sie sind Rädchen in den Getrieben der Ausbeuter. Mitte der 20er Jahre wendet er sich dem Marxismus zu.

Inzwischen eilt ihm der Ruf eines Egozentrikers voraus, der seine Ideen mit Rücksichtslosigkeit umsetzt. Viel Geld bringt ihm die "Dreigroschenoper", zu der der Komponist Kurt Weill die markanten Songs beisteuert. Hier entwirft Brecht das Zerrbild einer bürgerlichen Ordnung, die jeden fast zwangsläufig zum Gauner macht. Der spektakuläre Erfolg überrascht den Autor: Das Publikum beklatsche das, "worauf es mir nicht ankam: die romantische Handlung, die Liebesgeschichte, das Musikalische".

Flucht vor den Nazis

Brecht liegt wegen einer Blinddarmoperation im Krankenhaus, als der Reichstag brennt. Einen Tag später, am 28. Februar 1933, flieht der Dichter mit seiner zweiten Frau, der Jüdin Helene Weigel und den gemeinsamen Kindern nach Prag - nur wenige Stunden, bevor die Polizei an die Tür seiner Wohnung pocht. Trotz seiner Ehen ist Brecht sein Leben lang in ein verwirrendes Geflecht aus Eifersüchteleien, Affären und Dutzenden von Beziehungen verwickelt.

Die nun folgende Odyssee fällt dem Dichter schwer: Außerhalb Deutschlands zählt sein Ruf wenig, für fremde Sprachen fehlt ihm das Talent. Seine Jahre im dänischen, schwedischen und später finnischen Exil sind Brechts produktivste Zeit: Hier entstehen "Das Leben des Galilei", die "Mutter Courage" und "Herr Puntila". Vor der Wehrmacht flüchtet er mit der transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok und von dort nach Kalifornien, die letzte Exilstation des Gehetzten.

Obwohl er sich bei Hollywood niederlässt, gelingt es ihm nicht, sich als Drehbuchautor zu etablieren. An kaum einem Ort sei ihm das Leben schwerer gefallen als in diesem "Schauhaus des easy going", so Brechts Abrechnung mit dem Westküsten-Habitus. Von den amerikanischen Intellektuellen trennt ihn die Sprache, von vielen deutschen Exilanten die grundverschiedenen Auffassungen von Kunst und Politik. Brechts glücklose Amerika-Zeit endet auf der Anklagebank: Wie viele linke Intellektuelle wird er "antiamerikanischer" Umtriebe verdächtig. Noch am Tag seines Freispruchs verlässt er die USA.

SED beschnitt die künstlerische Freiheit des Dichters

Im Oktober 1948 - nach mehr als 15 Jahren im Exil - kehrt Brecht nach Berlin zurück. Gemeinsam mit Helene Weigel, der berühmtesten Darstellerin seiner "Mutter Courage", erfüllt er sich 1949 einen lang gehegten Wunsch: Mit der Gründung des "Berliner Ensembles" hat der Dramatiker endlich sein eigenes Theater. Doch Brechts künstlerische Freiheit wird zunehmend beschnitten: Kulturbürokraten der SED zwingen ihn dazu, Stücke und Drehbücher zu ändern.

An der Reaktion des DDR-Nationspreisträgers auf den Aufstand vom 17. Juni 1953 scheiden sich die Geister. Öffentlich erklärt er seine Verbundenheit mit der SED, die die Niederschlagung zu verantworten hat. Später stellt sich jedoch heraus: Seine Forderung nach einer Auseinandersetzung mit den Forderungen der Aufständischen verschwieg das Regime. Am 14. August 1956 stirbt Brecht an den Folgen eines Herzinfarkts. Er wird auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof bestattet.

Trotz des Niedergangs des Sozialismus ist das Genie Brecht aktuell und gefragt, wie Reinhold Jaretzky in seiner gerade erschienenen Biografie betont: "Aus dem politisch etikettierten Brecht, dem Steigbügelhalter des Kommunismus, dem DDR-Nationaldichter, der Ikone der westdeutschen Linken ist ein Dichter geworden, den man jenseits parteipolitischer Vorbehalte genießen darf."

(ap)
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