Interview Cornelia Funke: "Kinder sind das beste Publikum"
Los Angeles (rpo). Das US-Magazin "Time" zählt sie auf seiner legendären Liste zu den "100 einflussreichsten Menschen der Welt". Von ihrem Fantasie-Roman "Tintenherz" (2003) gingen rund 420.000 Exemplare über die Ladentheken. Am Donnerstag erscheint "Tintenblut", der zweite Band der "Tintenwelt"-Trilogie von Cornelia Funke, in der die 13-jährige Meggie in einem geheimnisvollen Buch verschwindet. Mit der 46-Jährigen Autorin sprach ddp-Korrespondentin Nadine Emmerich.
In einem Interview haben Sie Kinderbuchautorin als den wunderbarsten Beruf bezeichnet - warum?
Funke: Weil es für einen Geschichtenerzähler kein besseres Publikum als Kinder gibt. Jede Lesung und jede Begegnung mit meinen Lesern ist ein Erlebnis. Man erzählt für die ganze Familie und bekommt immer wieder zu hören, dass das Buch von drei Generationen gleichzeitig gelesen wurde. Man hört auch von Eltern, die es den Kindern vom Nachttisch stehlen...
Sie sind jüngst von Hamburg nach Kalifornien gezogen: Hat sich damit etwas für Ihre Arbeit verändert?
Ich habe endlich mehr Platz beim Schreiben, kann hin und herlaufen beim Nachdenken und dabei vor mich hinmurmeln. Ich schreibe in einem kleinen Haus im Garten, höre dort kein Telefon klingeln, aber bekomme weiter von meinem Mann oder meinen Kindern einen Tee gebracht. Das alles hat schon zu wunderbarstem Schreibfluss geführt. Und dann sind da das Wetter, die Berge, das Meer und die Kolibris im Garten. Mal sehen, wann die im ersten Buch auftauchen...
In welches Buch würden Sie sich selbst gern mal hineinlesen - so wie es ihre Figuren tun?
Die "Tintenwelt" würde mich reizen, das gebe ich zu. Aber am Ende würde ich mich vielleicht doch für die Welt aus "Der König von Camelot" von Terence H. White entscheiden. Oder für die Welt aus "Der goldene Kompass" von Philip Pullman, weil ich dann so einen Dämon auf meiner Schulter bekäme.
In "Tintenblut" gibt es viel Gemetzel und viele Tote. Ist das für Kinder nicht zu grausam?
Nein. In jedem Märchen geht es schlimmer zu - und bei Harry Potter auch. Kinder sind oft sogar weniger empfindsam als Erwachsene. Meist empfinden sie die Trauer oder den Schmerz, der im Buch beschrieben wird, zum ersten Mal beim Lesen, verbinden aber noch keine wirklichen Gefühle damit. Das kann bei Erwachsenen schon ganz anders sein.
Helfen Ihre beiden Kinder Ihnen bei Ihrer Arbeit?
O ja, sie steuern alles bei - Kritik, Anregungen, Ideen. Außerdem helfen sie mir, zwischen zwei Ideen zu entscheiden und lesen Probe.
Gibt es ein reales Vorbild für Meggie? Sie selbst als Mädchen?
Ich habe sehr viel gelesen. Ich hatte einen Vater, der meine Buchleidenschaft durch regelmäßige Büchereispaziergänge unterstützte. Und ich hatte eine Mutter, die mir manchmal genau zur richtigen Zeit das richtige Buch schenkte. Vom Temperament her war ich aber glaube ich ganz anders als Meggie.
Ihre Lesungen im September in Deutschland sind bereits ausverkauft. Staunen Sie manchmal noch selbst über ihren Erfolg?
Ja, und ich hoffe, das Staunen legt sich nie.
Wie läuft die Arbeit an "Tintentod", dem dritten "Tintenwelt"-Band?
So gut, dass es schon fast unheimlich ist. Ein Großteil der Geschichte steht schon - auch wenn er natürlich noch etliche Male überarbeitet werden wird.
Können Sie sich vorstellen, auch mal einen Roman für Erwachsene zu schreiben?
Warum? Ich möchte für alle erzählen und zuallererst für Kinder. Ich hoffe sehr, dass sich mir niemals eine Geschichte aufdrängt, die mich die Kinder als Leser verlieren lässt.