Star-Fotograf Yevhen Samuchenko „Die Schönheit der Ukraine ist unzerstörbar“

Vor dem Krieg hatte der Star-Fotograf Yevhen Samuchenko Aufträge und Ausstellungen in aller Welt. Seit Monaten aber kann er weder reisen noch daheim arbeiten, seine Drohne nutzt nun das Militär. Umso dankbarer ist er zwei Firmen vom Niederrhein für ihre Unterstützung.

 „Lost in the White Rocks“ nahm Samuchenko am Arbuzyn Canyon in der Region Mykolaiv auf.

„Lost in the White Rocks“ nahm Samuchenko am Arbuzyn Canyon in der Region Mykolaiv auf.

Foto: Yevhen Samuchenko

Yevhen Samuchenko ist ein Star der Landschafts- und Reisefotografie. Seine Werke gewannen mehr als 100 Preise etwa in Großbritannien, Spanien und Japan, wurden ausgestellt in den USA, Indien und Neuseeland, gedruckt in Büchern aus China, Dänemark und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er ist Dozent und Jurymitglied in namhaften Fotowettbewerben.

Doch seit Kriegsbeginn ist er faktisch arbeitslos, und in latenter Lebensgefahr ohnehin.

 Yevhen Samuchenko bei einer Preisverleihung in Dubai im Jahr 2019.

Yevhen Samuchenko bei einer Preisverleihung in Dubai im Jahr 2019.

Foto: Olga Nosova

Einige seiner Freunde konnten nach Westeuropa fliehen, andere harren unter regelmäßigem Beschuss in Kharkiv oder Mykolajiw aus. Der 45-Jährige lebt mit seiner Frau Olha und Sohn Maxim in Odessa – in relativer Sicherheit. „Jeden Tag und jede Nacht gibt es Luftalarme“, erzählt er. Daran gewöhne man sich. In seiner Heimstadt gehe der Alltag mehr oder weniger normal weiter. Es gebe Lebensmittel in den Läden, teils sogar Benzin an den Tankstellen. „Doch am Tag, als der Korridor für den Getreide-Export geöffnet wurde, beschossen die Russen den Hafen von Odessa. Eine der Raketen flog genau über unser Haus. Da kam die Angst wieder hoch.“

Samuchenko ist ein romantischer Patriot. Die Ukraine, erinnert er, sei ein ganz normaler europäischer Staat wie jeder andere auch, wenn auch im Westen weitestgehend unbekannt. Das habe sich nun geändert, aber um welchen Preis? „Dass im 21. Jahrhundert jemand versucht, das Territorium eines anderen souveränen Staats zu rauben, ist mir vollkommen unverständlich. Es ist barbarisch und völlig inakzeptabel.“

 “Autumn Ride“ – aus der Vogelperspektive sieht diese Insel im Sofiivka-Park in Uma aus wie ein Baum.

“Autumn Ride“ – aus der Vogelperspektive sieht diese Insel im Sofiivka-Park in Uma aus wie ein Baum.

Foto: Yevhen Samuchenko

Das Land mit der fast doppelten Fläche Deutschlands sei ja nicht nur die Heimat der 44 Millionen heutigen Ukrainer, sprudelt es aus ihm heraus, sondern auch die Heimat seiner Ahnen und der Klitschko-Brüder, das Land von Prinz Kyj, dem Gründer Kiews im 6. Jahrhundert, der Saporoger Kosaken, der legendären Tschumaken-Händler, nach denen im Ukrainischen sogar die Milchstraße benannt ist, des Nationaldichters Taras Schewtschenko, des Fußballstars Andrij Schewtschenko und so weiter und so weiter. Für Samuchenko ist die Ukraine auch das Land, dessen pinke Salzseen und Steppen, Urwälder und Berge ihresgleichen suchen.

„Ich habe 36 Länder in aller Welt bereist“, berichtet er, „und ich mochte wirklich viele, aber meine Leidenschaft für die Natur der Ukraine bleibt.“ Vor dem Krieg reiste er regelmäßig beruflich um die Welt, heute muss er alle internationalen Aufträge absagen, weil er wie alle erwachsenen Männer unter 60 das Land nicht verlassen darf. Für den Fall, dass er eingezogen wird.

„Spring Fortress“ zeigt die Burg Khotyn in der Region Tscherniwzi im Westen der Ukraine.

„Spring Fortress“ zeigt die Burg Khotyn in der Region Tscherniwzi im Westen der Ukraine.

Foto: Yevhen Samuchenko

Eine Möglichkeit, die Not zur Tugend zu machen und sich umso intensiver seiner Heimat zu widmen? Leider nein, denn die Disziplinen der Fotografie, auf die er sich spezialisiert hat, sind Kollateralschäden des russischen Angriffskriegs geworden.

Im Interesse der Nationalen Sicherheit sind Luftbilder verboten, Nachtaufnahmen ebenso. Monatelang konnte Yevhen Samuchenko nicht einmal Drucke seiner bisherigen Werke verkaufen, weil Postanbieter wie DHL und Fedex in der Ukraine nicht mehr aktiv sind. Inzwischen ist er Kooperationen mit Druckereien eingegangen, die Kunstdrucke seiner Werke nach Bestellung über seine Website www.q-l-n.com außerhalb der Ukraine herstellen; eine davon ist The Printspace in Düsseldorf.

Und noch einem zweiten Unternehmen aus der Region ist Samuchenko dankbar: Der Verlag te Neues, dessen Wurzeln in Krefeld und Kempen liegen, entschied sich kurzfristig, sein Fotobuch „The Beauty of Ukraine“ zu verlegen. Auf fast 200 Seiten zeigt es 132 Fotos aus vielen Teilen des Landes. Einige der abgebildeten Naturwunder sind zwischenzeitlich zerstört oder schwer beschädigt worden. Von all dem menschlichen Leid und den verheerenden wirtschaftlichen Schäden abgesehen, habe der Krieg auch „enorme Schäden in der Natur“ angerichtet, sagt Samuchenko, das Ausmaß sei entsetzlich.

 Yevhen Samuchenko & Lucia Bondar: The Beauty of Ukraine, 192 Seiten, 132 Fotos, Großformat 23,5 x 30 cm, Texte auf Englisch, Deutsch, Ukrainisch, 50 Euro.

Yevhen Samuchenko & Lucia Bondar: The Beauty of Ukraine, 192 Seiten, 132 Fotos, Großformat 23,5 x 30 cm, Texte auf Englisch, Deutsch, Ukrainisch, 50 Euro.

Foto: teNeues/Yevhen Samuchenko

Beispiele hat er sofort parat: „Der Stanislav Grand Canyon bei Kherson wurde in den Artillerieschlachten der ersten Kriegsmonate schwer beschädigt“, berichtet er. „Der einzigartige Leuchtturm von Khablovskyj mitten in der Steppe bei Kherson ist komplett zerstört. Und viele andere meiner Lieblingsorte werden noch für lange Zeit schwer zugänglich sein, weil sie vermint worden sind.“

Leider hätten seien Fotos damit ungewollt eine dokumentarische Funktion erlangt, sagt Samuchenko. „Aber die Natur ist sehr stark. Die Welt hat schon viele Kriege erlebt. Gebirge und Seen können nicht mit Waffen zerstört werden. Auch die ukrainische Natur wird überleben, ebenso wie die Ukraine selbst.“ Bis dahin tröste ihn der Gedanke, dass die Leser seines Buchs von der Schönheit seines Landes ergriffen sein werden. „Diese Schönheit trägt mich durchs Leben. Ich versuche, sie überall und in jedem Moment zu sehen. Diese Art Schönheit ist ewig und unzerstörbar. Wir werden sie bewahren. Wir werden sie verteidigen. Wir werden siegen.“

Yevhen Samuchenko tut seinen Teil dafür. Nicht nur mit Geldspenden. Auch seine Kamera-Drohne hat er an die Armee übergeben.

Yevhen Samuchenko & Lucia Bondar: The Beauty of Ukraine, 192 Seiten, 132 Fotos, Großformat 23,5 x 30 cm, Texte auf Englisch, Deutsch, Ukrainisch, 50 Euro.

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