Der dritte und letzte Band der Papst-Trilogie Benedikt XVI. beschreibt die Kindheit Jesu

Rom · Am Mittwoch erscheint der letzte Band der Jesus-Trilogie. Damit will der Papst belegen, dass biblische Geschichte wirkliche Geschichte war.

 Papst Benedikt XVI. legt sein drittes Jesus-Buch vor.

Papst Benedikt XVI. legt sein drittes Jesus-Buch vor.

Foto: dapd

Erstaunlich ist dieses Buch ja schon auf seinem Umschlag: Denn dass ein Papst ein Jesus-Buch verfasst, ist einzigartig. Noch bedenkenswerter ist freilich, dass vor der Nennung seiner päpstlichen Autorenschaft der bürgerliche Name steht. Joseph Ratzinger also.

Und das wiederum darf als eine dezente Handreichung an alle Leser gelten. Denn wenn Ratzinger schreibt, erhebt das Buch keinen lehramtlichen Anspruch. Das Werk ist der Wissenschaft geschuldet und stellt sich somit der Kritik.

Natürlich wird es die geben, wie sie es auch zu den beiden ersten Jesus-Büchern von 2007 und 2010 schon gegeben hat. Diskutiert wurde dabei über den Umgang mit den Quellen, den biblischen Texten.

Texte haben einen historischen Anspruch

Müssen diese vom fachkundigen Theologen erst ausgelegt werden, damit sie ihre Kraft entfalten und ihre Botschaft vermitteln können? Das wäre ein Zugang über die sogenannte historisch-kritische Exegeses. Und einer ihrer Vertreter ist der Schweizer Hans Küng.

Aber das war und ist nicht der Weg von Papst Benedikt XVI. Die biblischen Texte haben für ihn einen historischen Anspruch. Was Lukas und Matthäus über die Kindheit Jesu erzählen, ist für Ratzinger eine "wirkliche Geschichte" und darum viel mehr als eine "theologische Meditation, in die Gestalt von Geschichten gekleidet".

Auch mit diesem Buch — das mit seinen 175 Seiten das schmalste der Jesus-Trilogie ist — betreibt Ratzinger sein großes Thema: die Vermittlung und letztlich die Aussöhnung von Glauben und Vernunft.

Sein Jesus-Porträt dient dem Papst als Beweisführung. Das fängt im Kleinen an mit seiner Erwiderung auf die kritische Frage, warum Maria und Josef überhaupt nach Bethlehem gezogen sind. Das sei nach historischer Erkenntnis für eine Volkszählung damals gar nicht nötig gewesen. Darauf Ratzinger: Man müsse annehmen, dass Josef in Bethlehem über Grundbesitz verfügt habe und deshalb zur Steuererhebung dorthin ziehen musste.

Inspirierende Aussagen

Es gibt gewichtigere theologische Herausforderungen, und die größte ist zweifellos die jungfräuliche Geburt Jesu. Ist das ein Herrschermythos, wie er sich schon bei den göttlichen Zeugungen der Pharaonen findet? Die Entgegnung ist zunächst überraschend, denn Ratzinger zitiert aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis, dass Jesus empfangen wurde "durch den Heiligen Geist" und "geboren von der Jungfrau Maria".

Genau das nämlich ist nach seinen Worten "ein Skandal für den modernen Geist": "Gott darf in Ideen und Gedanken wirken, im Geistigen — aber nicht an der Materie", schreibt Ratzinger. Und darin entscheidet sich für ihn alles. Gott bewege sich nicht nur in Ideen. Die Empfängnis und die Geburt aus der Jungfrau Maria wird zum Wesen des Glaubens und zum geheimnisvollsten Beleg biblischer Historizität.

Aber deutet damit Ratzinger nicht ebenso die Texte der Heiligen Schrift? Sicher, ohne dies bliebe ja nur das Zitieren der Evangelien. Ratzinger versucht allerdings immer nah an der Schrift zu bleiben und nur innerhalb der Schrift Bezüge zu entwickeln. Darin findet er zu inspirierenden Aussagen.

Der Gott Israels wird zum Gott aller Völker

Etwa im Bezugspaar von Johannes dem Täufer, und Jesus. Beim Treffen beider Mütter — Maria besucht Elisabeth — komme es noch vor beider Geburt zu einer Begegnung im Heiligen Geist zwischen Jesus und Johannes. Jesus ist der Jüngere, doch Johannes wird nach Lukas sagen: "Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war."

Schließlich die Beziehung zwischen Jesus und dem römischen Kaiser Augustus, der sich den Titel des Anbetungswürdigen verlieh und als theologische Gestalt galt. In beiden Gestalten durchdringen sich zwei Weltreiche: die Geschichte des römischen Weltreichs mit der Heilsgeschichte. Der Gott Israels wird zum Gott aller Völker. Augustus aber gehört der Vergangenheit an, Jesus Christus der Gegenwart.

Es gibt viele aufregende Beobachtungen in diesem Buch über die Kindheit Jesu, das ja nur aus den Quellen der Evangelien schöpfen kann. Eine bezieht sich auf das dreitägige Verschwinden des zwölfjährigen Jesu beim Paschafest in Jerusalem. Für Ratzinger werden darin die drei Tage zwischen Kreuz und Auferstehung vorweggenommen. Es sind somit drei Tage der erlittenen Abwesenheit Jesu.

Sehr lesenswert, geschrieben

Spannend auch seine Deutung der Flucht von Josef, Maria und Jesus nach Ägypten, um der Kindstötung durch Herodes zu entgehen. Aber hat es die Bedrohung wirklich gegeben?, gibt Ratzinger zu bedenken. Historische Quellen dazu fehlen. Was also, wenn die Flucht nach Ägypten und die Rückkehr nach Israel Teil der Heilsgeschichte sind? Dann zu diesem Zweck: Mit Jesus setzt die wahre Heimkehr ins Gelobte Land ein, und mit diesem Neuanfang der Geschichte Israels beginnen die Evangelien.

Das alles ist sehr lesenswert, geschrieben in einer eingängigen, uneitlen Sprache. Der Theologe Ratzinger hat mit diesem Buch die Gläubigen im Blick. Und als Papst Benedikt XVI. die Verkündigung des Glaubens. Natürlich ist das Buch und die Trilogie ein Vermächtnis des deutschen Papstes. Weil dieses Werk mehr ist als das Dokument einer neuen Jesus-Frömmigkeit.

Das Geheimnis Jesu bleibt auch nach vielen hundert Seiten das Geheimnis unseres Glaubens. Ratzinger schreibt das am Ende des Buches so — und diesmal unverkennbar als Papst: "Es wird wirklich sichtbar, dass er wahrer Mensch und wahrer Gott ist, wie es der Glaube der Kirche formuliert."

(RP/csr/csi)
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