Behutsame Darstellungskunst Behutsame Texte des Tänzers Raimund Hoghe

Es ist etwas Eigentümliches mit den Texten von Raimund Hoghe: Obwohl er darin äußerst zurückgenommen, unaufdringlich, fast still von anderen Künstlern erzählt, ist er selbst darin anwesend: Als Mensch, der etwas vom Menschsein verstehen will.

 Der Tänzer und Autor Raimund Hoghe

Der Tänzer und Autor Raimund Hoghe

Foto: Rosa Frank

Schon in seiner Zeit als Journalist in den 1970er Jahren, als er unter anderem für die „Zeit“ Porträts schrieb, war Hoghe ein Meister der Behutsamkeit, der andere nicht in vorgefasste Muster zwängte, sondern wahrzunehmen versuchte, wer und wie sie sind. Heute übersetzte Hoghe diese Kunst der achtsamen Darstellung als Tänzer in Bilder. Zu seinem 70. Geburtstag ist jetzt im Verlag Theater der Zeit ein Buch mit Porträts, Rezensionen und anderen Texten Hoghes erschienen: „Wenn keiner singt, ist es still“ (157 Seiten, 22 Euro). Und es ist erstaunlich, wie man in diesen journalistischen Texten schon dem späteren Tänzer Hoghe begegnen kann.

So erzählt er etwa von einem Besuch bei der schwer kranken Dichterin Rose Ausländer. Hoghe sitzt an ihrem Bett, lässt sich von der alten Frau knappe, anrührende Gedichte in den Block diktieren, beschreibt, wie sie unnachgiebig nach den richtigen Begriffen sucht, obwohl ihr Körper schon keine Kraft mehr hat. Hoghe erzählt in diesem Porträt von den Qualen und dem Glück des Dichtens und davon, wie eine Dichterin auf ihre Art von der Welt Abschied nimmt.

Der gebürtige Wuppertaler Hoghe wurde in den 1980er Jahren Dramaturg am Tanztheater von Pina Bauch und entwickelte dann seine ganz eigene Körper- und Bühnensprache, die ihn international bekannt machte. Als Journalist hat er nicht nur Größen des Kulturbetriebs wie Heiner Müller, die Schauspielerin Elisabeth Bergner oder den Schriftsteller Peter Handke besucht. Mit der gleichen Achtung und Feinfühligkeit schreibt er über eine Toilettenfrau oder eine Prostituierte.

Journalistische Texte werden in der Regel aus einer bestimmten Zeit für eine bestimmte Zeit geschrieben. Das gilt auch für Hoghes Texte. Doch die zeitlosen Fragen, die er darin stellt, ohne sie je direkt zu formulieren, machen seine Arbeiten auch heute noch lesenswert.

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