Düsseldorf Brian Enos Musik für die Ewigkeit

Düsseldorf · Dank einer zugehörigen App kann das neue Album des Briten ewig laufen.

Brian Eno hat einen Traum, er möchte, dass immer Musik da ist. Die Menschen sollen in seiner Musik leben, sie sollen sie bewohnen, und wenn man eine poetische Ader hat, könnte man sagen, dass Brian Eno das Dasein zum Klingen bringen will. Mit dem Album "Reflection", das er soeben veröffentlicht hat, kommt er der Verwirklichung dieses Traums sehr nahe.

Eno war Mitbegründer der Band Roxy Music, er produzierte große Alben für David Bowie und nicht so große für U2 und Coldplay, und als Solokünstler erfand er 1975 das Genre Ambient. Damals veröffentlichte er die Platte "Discreet Music", für die er sich von Eric Satie inspirieren ließ. Bei dem gab es die "Musique d'ameublement", eine Gebrauchsmusik, die wie ein Möbel im Raum steht und erst vollständig ist, wenn sie um die individuellen Lebensgeräusche des jeweiligen Hörers bereichert wird. Das Klappern von Besteck, das Kratzen am Kopf und manchmal auch das Gähnen sind Teil des Konzepts.

Den Begriff Ambient druckte Eno dann erstmals 1978 auf eine Plattenhülle, auf "Music For Airports" nämlich, und seither ist in diesem Bereich sehr viel esoterische Lautmalerei publiziert worden, aber von jüngeren Künstlern gerade zuletzt auch viel Spannendes - genannt seien Musiker wie Grouper, Stars Of The Lid, Huerco S. und Celer.

"Reflections" besteht nur aus einem einzigen, exakt 54 Minuten langen Instrumental-Stück, das als Neujahrsskispringen für die Ohren funktioniert: flache Reize für verkaterte Tage, entspannend und auf hohem Niveau langweilig. Eno musiziert knapp vor der Wahrnehmungsgrenze. Er lässt es brummen, summen, flirren, sausen und schweben. Man hört nicht nur, man spürt, fühlt und ahnt auch. Alles ist hell, und manchmal bimmelt ein Glöckchen hinten auf den elektronischen Flächen. "Thursday Afternoon" hieß 1985 ein anderes berühmtes Album von Eno, das ebenfalls nur aus einem Stück besteht. "Reflection" wirkt wie seine Fortsetzung: Nun ist Eno im Gleichmaß des Sonntagmorgens angekommnen.

Genau genommen ist sogar ewiger Sonntagmorgen bei Eno, denn der Clou kommt noch: Zum Album, das auf CD und LP erscheint, gibt es zusätzlich eine App. Sie ist sauteuer (39,99 Euro), aber Eno verspricht, dass sie den Soundtrack zum Rest unseres Lebens birgt. Sie könne "Reflection" unendlich lange spielen, und sie passe die Schwingungen des Stücks per Algorithmus den Tageszeiten an. Es klinge immer anders, man werde immer etwas Neues entdecken, verspricht Eno. Der Sounddesigner Peter Chilvers hat dazu Farbfelder arrangiert, die ständig variiert werden.

Vorläufiges Fazit nach zwei Tagen möblierten Hörens: Diese Zukunftsmusik sieht gut aus.

(hols)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort