Ausstellungen auf der Raketenstation Neuss Grober Stein, sanfte Malerei

Neuss · Von Bildhauer Bernd Lohaus sind Werke in der Skulpturenhalle auf der Raketenstation Neuss zu sehen. Zwei koreanische Maler zeigen ihre Arbeiten in der Langen Foundation.

 „Teil/Gelebt-Geliebt“ ist der Titel der Arbeit von Bernd Lohaus, die von 1987 stammt und am Weg zur Skulpturenhalle auf der Raketenstation Neuss liegt.

„Teil/Gelebt-Geliebt“ ist der Titel der Arbeit von Bernd Lohaus, die von 1987 stammt und am Weg zur Skulpturenhalle auf der Raketenstation Neuss liegt.

Foto: Helga Bittner

Steine. Auf den ersten Blick scheinen es nur ebensolche zu sein. Gelb und wie hingestreut an einem Weg liegend, der von hinten zur Skulpturenhalle der Thomas-Schütte-Stiftung auf der Raketenstation Neuss führt. Erst bei näherem Hinsehen kann man Schrift erkennen, Wörter, die scheinbar zusammenhanglos hineingeritzt wurden. „Geliebt“ lässt sich entziffern, die Schrift ist verwittert, ebenso wie der Stein.

Fundstücke sind sie alle, von Bernd Lohaus einst eingesammelt und so verarbeitet, dass sie zu eigenwilligen Kunststücken werden. Ob er sie so auch gelegt hätte? Das ist ebenso unklar wie bei den Kunstwerken in der Skupturenhalle, die alle aus dem Nachlass des 2010 gestorbenen Bildhauers und ehemaligen Beuys-Schülers Lohaus stammen. Hausherr Thomas Schütte hat das Feld für die jüngste Ausstellung in der Skulpturenhalle seinem Freund und engen Mitarbeiter Dieter Schwarz überlassen. „Ich kannte Bernd Lohaus nicht gut“, gibt Schütte zu, war aber dennoch überrascht, als er bei den Vorbereitungen der Ausstellung erfuhr, dass Bernd Lohaus auch Bronzen gemacht hat.

Vier Werkgruppen hat Schwarz, der bis vor zwei Jahren Direktor des Kunstmuseums Winterthur war, ausgesucht, die das Schaffen des Bildhauers repräsentieren: Hölzer, Aquarelle, Wachsarbeiten und Stein. Wobei Holz und Stein von Lohaus nur grob bearbeitet, meist mit kleinen Einschnitten versehen wurden. Zwei in Bronze gegossene Paletten sind auf dem Vorplatz ausgestellt, werden nur abends hereingeholt.

Der Archaik, dem Groben der Lohaus-Arbeiten völlig entgegengesetzt sind die Arbeiten, die nur wenige Meter von der Skulpturenhalle entfernt, in der Langen Foundation, zu sehen sind. Dass Park Seo-Bo und Minjung Kim in Deutschland recht unbekannt sind, ist angesichts ihrer Werke unverständlich. Beide haben vor allem den Prozess als solchen gemeinsam, sie gehen jeweils sehr meditativ an ihre Kunst heran, die Ergebnisse aber sind sehr unterschiedlich – und jedes für sich beeindruckend.

Park Seo-Bo, der seiner koreanischen Herkunft entsprechend den Nachnamen voranstellt, ist 88 Jahre alt und zur Eröffnung seiner bislang einzigen europäischen Einzelausstellung aus Seoul, wo er lebt, angereist. Ein alter Herr, der verschmitzt reagiert („ist vielleicht doch nicht meine letzte Flugreise“) und seine Bilder mit deutlichen Worten erklären kann. Immer ist es die Natur, die sich in seinen Bildern spiegelt. Sie lässt ihn atmen, sagt er, und er fühlt sich verantwortlich für den Menschen, will nicht attackieren, sondern eher dessen Blick und Gefühl schärfen: für den Frieden, den der Anblick seiner Bilder auslöst, für die Erinnerung etwa an die Schönheit eines Sonnenuntergangs. Parks Arbeiten sind nur auf den ersten Blick monochrom, auf den zweiten offenbaren sie unterschiedliche Strukturen, sind dann gut sichtbar wie bei der Serie „Ecritures“.

Minjung Kim lebt schon seit vielen Jahren in Italien und Frankreich und hat die Schreibweise ihres Namens hiesigen Standards angeglichen. Sie ist 31 Jahre jünger als Park, aber nicht minder redebegabt. Ihr liebstes Material ist Hanji-Papier (es wird aus der Maulbeerbaumrinde gewonnen und in Korea auch für Verpackungen eingesetzt), das sie mit Feuer und Räucherstäbchen in ungezählten Stunden zu Collagen verarbeitet, die ihresgleichen suchen.

Denn sie sind so filigran, so genau gearbeitet, dass man ihnen die Gegensätze schnell und langsam, malen und brennen im Herstellungsprozess nicht ansieht. In Schichten legt Minjung Kim Papier auf Papier, versetzt, so dass gemalte Flächen durchscheinen und neue (gebrannte) Lochmuster entstehen. Die Ausstellung zeigt von ihr vor allem jüngere Arbeiten, von Park hingegen eine Retrospektive.

 Für die Kunst von Park Seo-Bo und Minjung Kim hat die Langen Foundation Rampenraum (im Bild), große Halle und Japanraum freigeräumt.

Für die Kunst von Park Seo-Bo und Minjung Kim hat die Langen Foundation Rampenraum (im Bild), große Halle und Japanraum freigeräumt.

Foto: Helga Bittner

Beiden gemeinsam ist zweifellos die Herkunft Korea und auch die Verbundenheit mit der dortigen Tradition, vor allem in der Kunst. Verblüffend ist allerdings, dass jeder für sich daraus eine eigene und vor allem sehr eigenständige Handschrift entwickelt hat, die eines ganz gewiss zeigt: Kunst hat und braucht keine (Landes-)Grenzen.

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