Bilder von der ersten Liebe

"Call Me By Your Name" ist ein schöner Film über das Erwachsenwerden.

Norditalien, 1983: Die Perlmans verbringen die Sommermonate in ihrer mondänen Villa außerhalb Cremas. Für Elio, den 17-jährigen Sohn eines Archäologie-Professors und einer Literatur liebenden Mutter, verlaufen die langen Sommertage nach einem stoischen Rhythmus: Er übt sich im Klavierspiel, liest Bücher und geht mit Freunden schwimmen. Mit der Ankunft des 24-jährigen Doktoranden Oliver, der den Vater für sechs Wochen als Assistent unterstützten soll, geraten Elios Gefühlswelt und sein geregelter Alltag ins Wanken.

"Call Me By Your Name" heißt der nun auf DVD erscheinende Überraschungserfolg an den Kinokassen, der auf einer Romanvorlage von André Aciman beruht. Für das Kino behutsam und liebevoll adaptiert wurde Acimans Coming-of-Age-Drama von Oscar-Gewinner James Ivory (Bestes Drehbuch). Regisseur Luca Guadagnio erzählt die Geschichte einer ersten aufblühenden Liebe mit pittoresken Bildern, und wie ihm das gelingt, ist meisterhaft. Denn gut steht es zunächst nicht um die Beziehung zwischen Elio und dem smarten, selbstbewussten US-Gast. Oliver fehlt unentschuldigt beim Abendessen, zerschlägt das Frühstücksei und verabschiedet sich stets mit dem als unfreundlich aufgefassten "Later" ("Wir sehen uns").

Guadagnio dokumentiert die sich langsam entfaltende Zuneigung der beiden Männer mit langen Einstellungen, die Mimik und Gestik der Protagonisten begleiten. Er nimmt sich ein bemerkenswertes Maß an Zeit dafür - auf die Details kommt es ihm an. Etwa, wenn Elio mit sehnsüchtigem Blick Oliver beim Tanzen auf einer Party beobachtet. Und so nimmt man ihm bald schon seine Beschwerden über den vermeintlich ungehobelten Sommergast nicht mehr ab. Zu verdanken ist das auch Timothée Chalamets bemerkenswert leichtfüßiger Verkörperung des jungen Schöngeists, die ihm eine Oscar-Nominierung als bester Hauptdarsteller bescherte.

"Call Me By Your Name" reiht sich in die Liste sehenswerter Coming-of-Age-Erzählungen ein, weil der Film nicht die gleichgeschlechtliche Beziehung zweier Männer in den Vordergrund rückt, sondern das Erleben der ersten Liebe mit ihren Höhen und Tiefen darstellt.

Guadagnio schafft dies mit thematischer und inhaltlicher Reduktion: Durch eine zeitliche Vorverlagerung der Geschichte wird das Thema Aids ausgespart, und auch ein späteres Wiedersehen zwischen Elio und Oliver soll erst in einer für 2020 angesetzten Fortsetzung zu sehen sein. Nach dem gelungenen ersten Teil darf hierauf gehofft werden.

(RP)
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