Köln Beyoncé Knowles ruft zum Appell

Köln · Der größte Popstar der Welt trat zwei Mal in Köln auf. 32000 Fans erlebten Shows von maschinenhafter Präzision.

2014: "The Mrs. Carter Show" - Beyoncé-Konzert in Köln
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Wenn jede Zeit den Popstar hat, den sie verdient, dann muss das Leben gerade ziemlich anstrengend sein. "Antreten und so hoch hinauswollen wie es geht", das sei ihre Philosophie, sagt Beyoncé Knowles in dem Film "Life Is But A Dream", der ihren Weg zum Ruhm dokumentiert. Der Vater schickte das Mädchen aus Texas einst hinaus zum Training — sie solle um den Block laufen und dabei singen, denn das müsse sie später auf der Bühne auch hinbekommen: sich anstrengen, die Mühe aber nicht zeigen. Die Schinderei hat sich gelohnt. Beyoncé Knowles ist der größte Popstar der Welt. Sie gehörte in den späten 90er Jahren der Mädchenband Destiny's Child an, die so gut wie alles auf Platz eins der Charts brachte; was sie veröffentlichte, sie sang bei den Amtseinführungen Obamas, und verheiratet ist sie mit Jay Z, dem prominentesten und besten Rapper des Erdballs. Ein lebender Superlativ.

Die 32-Jährige trat nun in Köln auf, sie gab zwei Konzerte in der Lanxess-Arena, und jedes Mal kamen 16000 Menschen. Was sie erlebten, waren Spektakel in HD-Qualität: Gesang von größtmöglicher Klarheit, Bässe, die knapp unter dem Solar Plexus einschlugen, makellose Choreografien, gestochen scharfe Bilder. Zu Beginn ließ Beyoncé einen mächtigen Vorhang, der mit ihrem Namen beschriftet war, von der Hallendecke fallen. Jemand knipste das Licht aus, und als es wieder anging, stand Beyoncé in der Bühnenmitte, schaute herausfordernd, nahm den Jubel entgegen und begann den Hit "Run The World (Girls)". Darin heißt es: "Ich weiß, Du liebst es, dass ich klug genug bin, Millionen zu verdienen."

Eine elfköpfige Band thronte auf zwei Podesten im Hintergrund. Nach jedem dritten Lied zog sich Beyoncé um, und die Pausen wurden von ihrer Tänzer-Armee mit Aerobic-Nummern von geometrischer Aggressivität überbrückt sowie mit sinnlosen Video-Einspielern von Bienenschwärmen, Sonnenuntergängen und Szenen, für die sich Beyoncé als Hausfrau und Beach Babe verkleidet auf das Deck einer Yacht gestellt hatte. Es war alles auf Überwältigung angelegt, Momente der Ruhe gab es nicht. Das ist ja ein Merkmal aktueller Superstar-Konzerte, dass Applaus nicht mehr angestrebt und genossen wird, sondern nur mehr Bestandteil des 100-minütigen und lückenlosen Soundteppichs ist. Lieder gelangen selten komplett zum Vortrag, sie werden zu Cocktails verarbeitet: Von "Crazy In Love" etwa, Beyoncés größtem Hit, bekam man nur den Refrain zu hören, dann ging das Stück über in "Single Ladies (Put A Ring On It)".

Dabei ist Beyoncé unter den "Big Four" sicher die beste Musikerin: Sie überragt die Konkurrentinnen Rihanna, Lady Gaga und inzwischen auch Madonna an Klasse, und wer ihr aktuelles, im Dezember ohne Vorankündigung erschienenes Album "Beyoncé" hört, wird verblüfft sein, wie mutig und virtuos sie die Möglichkeiten des Genres R'n'B ausschöpft. Großartige Nummern wie "Haunted", "XO" und die schönen frühen Stücke "Irreplaceable" und "Halo" gehörten denn auch zu den Höhepunkten des Abends. Manchmal setzte die Musik aus, dann klangkolorierte und phrasierte Beyoncé und steigerte die "Aahhaahaas" und "Ouhohous" über vier Oktaven. Das Publikum bejubelte diese vokalen Highend-Schwelgereien, es fotografierte, und weil das Geschehen auf gigantische Leinwände an den Seiten der Bühne übertragen wurde, hielten die Fans ihre Smartphones nicht auf die echte Beyoncé, sondern lieber auf ihr vergrößertes Abbild.

Vielleicht liegt hier der Grund, warum der Auftritt bei aller Güte der Darbietung das Herz nicht berühren mochte. Die Emphase wirkte simuliert, und wenn Beyoncé Laszivität andeutete wie in "Drunk In Love", war das keine Erotik, sondern der Verweis auf eine Leerstelle. Verzweifelt suchte man nach Webfehlern und Laufmaschen, nach Menschlichkeit in der maschinenhaften Präzision. Aber selbst als Beyoncé "I Will Always Love You" anstimmte, war das keine Hommage an die tote Whitney Houston, sondern bloß abermaliger Beleg des eigenen Könnens.

Beyoncé verzauberte nicht, sie rief zum Appell. Das war ein Workshop in Sachen Selbstverbesserung. Sie bekundete in ihren knappen Zwischenansagen, dass sie Feministin sei, aber man ahnte, dass sie im Grunde eine geschlechtsneutrale Leistungsideologie predigt. Sie ist der Prototyp des modernen Individuums, das das Maximum aus seinem Dasein herausholen will. Wenn Popstars früher mahnten, man solle an die Liebe glauben "to make this world a better place", fordert Beyoncé: Sei topfit und diszipliniert, dann wirst du reich und berühmt. Und: Strebe die Hoheit über den eigenen Körper an, er ist das letzte Feld persönlicher Autonomie. Im Konzert indes schwärmt man gern oder träumt sich zurück in die Situationen, die man mit den einzelnen Liedern verbindet. In Köln dachte man hingegen daran, dass man morgen nicht wieder ein Snickers zum Nachtisch essen darf und mal wieder joggen sollte. Beyoncé ist die Tiger-Mama des Pop, die Amy Chua der Konzerthallen. "Upgrade U" heißt einer ihrer Songs. Ihre Glaubenslehre ist die des Overachievers: Lass dich nicht gehen, agiere stets oberhalb deines Potenzials.

"Danke, dass Ihr Euer Geld für diesen Abend gespart habt", sagte Beyoncé am Ende. Das war sicher nett gemeint. Aber glücklich machte es nicht.

(RP)
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