Krimi-Tipps für den Sommer Meine Krimi-Tipps für den Sommer

Düsseldorf · Ferienzeit ist Lesezeit: Der Düsseldorfer Beststellerautor empfiehlt spannende Romane für den Strand und anderswo.

 Der Düsseldorfer Bestsellerautor Horst Eckert.

Der Düsseldorfer Bestsellerautor Horst Eckert.

Foto: Wiever/Kathie Wewer

Kennen Sie das auch? Kein Strandurlaub ohne Lektüre, und wenn kurz vor der Abreise gepackt wird, holt man sich einfach die Neuerscheinungen der Lieblingsautoren, weil man damit ja nichts falsch machen kann – und wird dann enttäuscht.

„Letzte Schicht“ (Ariadne)

Nicht, weil die Krimis schlecht wären, sondern weil man weiß, diese Autoren können es noch besser. Neulich ging es mir so mit Dominique Manotti und Gary Disher. Deshalb lege ich Ihnen zwei andere Romane dieser Kollegen ans Herz: In „Letzte Schicht“ (Ariadne) führt uns Manotti, Historikerin und ehemalige Gewerkschaftssekretärin, in eine lothringische Industriestadt. Unfälle in einer Fabrik, Streiks und Entlassungen, plötzlich brennt das Werk und wird zum Spielball rivalisierender Konzerne. Die Arbeiterin Rolande und der Detektiv Montoya stehen im Mittelpunkt, und man wünscht sich, sie könnten zusammenfinden. Manottis Prosa ist einzigartig. Die Kapitel beginnen unterkühlt, doch nach wenigen kurzen Sätzen ist man dicht bei den Menschen.

„Bitter Wash Road“ (Unionsv.)

Dagegen handelt Dishers vorletzter Roman „Bitter Wash Road“ (Unionsverlag) auf dem Land, wo es besonders platt und staubig ist. Constable Hirsch geriet unschuldig in eine Korruptionsaffäre und wurde aus Melbourne hierher versetzt, wo er erneut mit Kollegen aneinandergerät, als er im Fall eines tödlich verunglückten Mädchens entdeckt, dass mehr als schlampig ermittelt wird. Disher erzählt spannend, aber unaufgeregt. Die Landschaft wird plastisch, die Figuren lebendig. Und Hirsch, der fast allein gegen alle steht, gewinnt unser Herz.

„Die Wahrheit“ (C. Bertelsmann)

Weil wir gerade in Australien sind: Letztes Jahr starb Peter Temple, einer der wichtigsten Schriftsteller des Kontinents. Sein Thriller „Die Wahrheit“ (C. Bertelsmann) war für mich eines der zwei großartigsten Leseerlebnisse der letzten zehn Jahre. Eine Frau wird in einem Luxusapartment ermordet. Stephen Villani leitet die Ermittlungen, doch die Politik will ihn bremsen. Korruption, Intrigen, Melbourne entpuppt sich als Hölle. Zugleich gerät Villanis Tochter auf Abwege, und beim Versuch, die Farm des Vaters vor einem Waldbrand zu retten, muss sich Villani alten Familienkonflikten stellen. Temple spinnt die Geschichte atemberaubend dicht. In Australien erhielt er dafür die wichtigsten Literaturpreise, undenkbar für Europa.

„Unter Tage“ (Ars Vivendi)

Altmeister John Harvey mag sich trösten, er hat alle Krimipreise Großbritanniens eingeheimst. In seinem letzten Buch „Unter Tage“ (Ars Vivendi) mischt er private Tragödien mit Zeitgeschichte. 1984 streikten die Bergarbeiter gegen die Thatcher-Regierung. Ein Spalt ging durchs Land, ein Riss durch manche Familien. Dreißig Jahre später taucht eine einbetonierte Leiche auf. Die Polizei holt Charlie Resnick als Berater aus dem Ruhestand, denn damals kannte er das Dorf und die gegnerischen Parteien. Doch erst muss Resnick der jungen Ermittlerin Catherine Njoroge beistehen, die wegen ihrer Hautfarbe einen schweren Stand hat. Vorbildlich charakterisiert Harvey seine Figuren durch Details und Dialog.

„Kaltes Land“ (Goldmann)

Auch hierzulande gibt es hervorragende Kollegen, einer von ihnen ist Norbert Horst. Er arbeitet im Brotberuf bei der Kripo, deshalb schöpfen seine Bücher in punkto Authentizität aus dem Vollen. In „Kaltes Land“ (Goldmann) stirbt ein Kokainschmuggler, und Kommissar Steiger, ein Mann mit großer Empathie, lässt nicht locker, bis er den Drahtzieher findet. Wir lernen Dortmund kennen, wo es besonders arm an Chancen und reich an Schicksalsschlägen ist. Das Tolle daran: Die Geschichte wirkt nirgendwo konstruiert oder überzeichnet, sondern stets so plausibel wie das Leben.

„Der Mandant“ (Heyne)

Aber natürlich darf ein Spannungsroman auch mal aus der Trickkiste der Genre-Klischees greifen, zumal wenn er dafür mit einem exotischen Schauplatz wie Los Angeles aufwartet. Dort lebt Michael Connelly, den ich Ihnen nicht erst vorstellen muss. Viele seiner Romane um Detective Harry Bosch wurden verfilmt. Doch mit „Der Mandant“ (Heyne) startete er eine Reihe, die Sie vielleicht noch nicht kennen. Der Fall des Anwalts Mickey Haller ist verzwickt, und Haller muss sämtliche Tricks auffahren, die er auf Lager hat. Großer Lesespaß.

„Tage der Toten“ (Suhrkamp)

Jetzt fragen Sie sich vielleicht noch, welches der zweite Thriller war, den ich im letzten Jahrzehnt so genial fand. Mein Urteil ist subjektiv, aber Don Winslow hat mit „Tage der Toten“ (Suhrkamp) nicht nur einen Weltbestseller vorgelegt und ein wuchtiges Werk von 689 Seiten, sondern vor allem ein Epos über drei Jahrzehnte Drogenkrieg in Mexiko. Im Mittelpunkt zwei Todfeinde, die sich in dieselbe Frau verlieben. Aber ich muss Sie warnen: Winslow schreibt nicht immer so gut. Blindlings ein Buch für den Strand einzupacken, kann manchmal zur Enttäuschung führen.

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