Shakespeare in Bochum Das Ordnungsamt bewacht King Lear

Termine · Johan Simons inszeniert Shakespeares Königsdrama unter Corona-Bedingungen in Bochum. Die Vorstellung war nicht nur akustisch problematisch.

 Pierre Bokma gibt den Lear in Bochum.

Pierre Bokma gibt den Lear in Bochum.

Foto: © JU Bochum

Bei der zweiten Vorstellung von „King Lear“, Johan Simons‘ Eröffnungsinszenierung der neuen Saison im Schauspielhaus Bochum offenbarte sich das ganze Drama der Bühnenkunst unter Corona-Bedingungen. Das beunruhigende Ausmaß der Maßnahmen gegen das Virus wurde schon auf dem Vorplatz deutlich: Da parkten zwei Wagen des Ordnungsamts, Mitarbeiter „bewachten“ mit schweren Schutzwesten das Eingangsportal.

Man könnte diese Situation als Verlängerung des Bühnenbilds von Johannes Schütz lesen, der für das Ensemble eine Art Warte- und Schutzraum mit Teeküche und Desinfektionsspender gebaut hat, aus dem die Darsteller auftreten oder in dem sie in eine Live-Kamera sprechen. Am Rand der ansonsten leeren Bühne drehen sich träge große Deckenventilatoren – wie um Aerosole zu verflüchtigen. Das Königshaus schützt sich vor der Bedrohung da draußen. Als Shakespeare „King Lear“ geschrieben hat, wütete in England gerade die Pest.

Doch die Ordnungskräfte, die sich auf dem Vorplatz postiert haben, sind Realität einer Stadt, in der sich junge Menschen unter freiem Himmel treffen wollen, s lange das Wetter noch schön ist. Vor kurzer Zeit hat das Schauspielhaus-Team für die Belebung des Platzes gearbeitet. Jetzt heißt es: Es geht nicht anders als mit Überwachung. Gestern habe es eine Schlägerei gegeben.

Traurige Corona-Realität auch drinnen: In der Vorgänger-Inszenierung „Die Befristeten“ hatte Johan Simons es mit einem Trick noch geschafft, dass Schauspieler sich berühren dürfen. Jetzt halten sie sklavisch Abstand. Die Inszenierung versucht das mit den genannten Mitteln in ein Konzept einzubetten. Im Vorfeld hat Johan Simons gesagt, das Stück trage eine riesige Einsamkeit in sich. „Und was man jetzt wahrnimmt, ist eine unfassbare Zunahme von Einsamkeit.“

Tatsächlich wirkt auf der Bühne alles unlebendig, spröde, trocken, einsam und leer. Das auseinandergerissene Publikum erlebt Auftritte eigentlich großer Schauspieler (Pierre Bokma als Lear), die in dem Erdhaufen wühlen oder wüten, der wohl Lears Königreich darstellen soll oder das Erd-Reich, in das wir alle zurückkehren. Manchmal versuchen sie in ihrer Vereinzelung an der Rampe etwas von der Kraft der shakespearschen Sprache zu retten. Doch die entfaltet sich außerhalb der berühmten Monologe am besten im Dialog, in Reibung.

Alle Darsteller sprechen durch Mikroports. Das ist ein Novum dieser Intendanz, die der Akustik des legendären Saals nicht mehr zu vertrauen scheint. Absurderweise erschwert es die Sprachverständlichkeit. Silben zischeln, Sätze werden von Rascheln übertönt oder verhallen.

Immer wieder scheint während all dem Elend dieser Gedanke auf: Vielleicht lieber kein Theater mehr spielen bis es wieder uneingeschränkt möglich ist

Termine 18., 19., 20. September.

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