Wuppertal Berührendes Tanztheater "Nelken"

Wuppertal · Wuppertal zeigt eine neu einstudierte Fassung des Klassikers von Pina Bausch.

Wenn statt Lutz Förster zu Beginn von "Nelken" Scott Jennings im Blumenfeld steht und "The Man I love" in Taubstummensprache übersetzt, dann ist das schon etwas befremdlich. Daran wird man sich gewöhnen müssen: Das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch nimmt Abschied von seinen Protagonisten der ersten Stunde und ersetzt sie durch junge Tänzer. Dass der Australier Jennings dem 60-jährigen Förster etwas ähnlich sieht, hilft dabei. Die schleichende Erneuerung der Compagnie hat begonnen. Nun feierte eine Neueinstudierung des Stücks von 1982 seine Premiere im Wuppertaler Opernhaus.

Lutz Förster, der im April die künstlerische Leitung des Tanztheaters Wuppertal übernommen hat, schuf mit seiner Interpretation von Sophie Tuckers Liebeslied eine der herausragenden Szenen in 40 Jahren Tanztheater Pina Bausch – dieser Moment wird immer seiner bleiben. In einer Dokumentation erinnerte sich der blonde Hüne, wie ihm jemand die Taubstummensprache am Strand von San Diego beibrachte. Wie so häufig bei Pina Bausch basierte die Szene auf dem wahren Leben; die Choreografin verdichtete sie zu einem gleichermaßen emotionalen wie universellen Sinnbild der Sehnsucht. Dass sich nun diese teils biografischen Momente auflösen in Rollenzuschreibungen gehört mit zur Umwandlung des Tanztheaters Wuppertal, weg vom Musealen hin zu einer verjüngten Compagnie, die ab 2015 auch Stücke mit anderen Choreografen erarbeitet.

"Nelken", eines der beliebtesten und meist gespieltesten Stücke von Pina Bausch weltweit, hat auch nach 30 Jahren keinen Staub angesetzt. Die vielen Miniaturen über Liebe, Sehnsucht, Rollenklischees und die Reflexionen zur Rolle des Tänzers sind universell und zeitlos. Das märchenhafte Bühnenbild aus Tausenden von Nelken, die am Ende zertrampelt am Boden liegen, steht im Kontrast zu bedrohlichen Situationen. Aufpasser mit Schäferhunden patroullieren um das Nelkenfeld, ein Mann fordert von einzelnen Tänzern den Pass und stellt ihnen erniedrigende Aufgaben, wie etwa einen Hund nachzumachen. Wenn die Tänzer zum Schluss darüber Auskunft geben, warum sie Tänzer geworden sind ("Ich wollte nicht zum Militär", "Wegen meinem Haltungsschaden"), dann fehlt auch hier der Reiz des Authentischen der frühen Jahre. Dass sie auch ohne diese Note funktionieren und berühren, spricht für die Qualität der Stücke.

(RP)
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