Berührend: Musik von Hauschka

Dieser Musiker macht etwas Unerhörtes, er schneidet ein Loch in die Dornenhecke des Alltags und dringt vor ins Verborgene, zur Schönheit. Volker Bertelmann alias Hauschka ist Pianist. Als sein Markenzeichen gilt das präparierte Piano. Er legt Kronkorken auf die Saiten des Instruments, umwickelt die Hämmer mit Knisterpapier, beschwert den Klang mit Steinen. Was man hört, ist auf eine bizarre Art poetisch: frei nach den Mustern der elektronischen und der Minimal Music entworfene Gespinste, die zu schweben scheinen und in ungerade Takte und überraschende Melodiebögen wuchern. Als der heute 43-Jährige vor zwei Jahren erstmals ein Streichquartett auf einer Platte spielen ließ und es über die Kindheit auf dem Land philosophieren ließ, ahnte man: Da bereitet sich jemand auf Größeres vor.

Hauschkas neues Album "Foreign Landscapes" bestätigt die Vermutung. Er arrangierte die Musik, eingespielt wurde sie zu großen Teilen vom Magik Magik Orchestra in San Francisco. Das ist ein Verbund von vier Klarinettisten, drei Posaunisten und fünf Streichern, die am Konservatorium studieren und häufig für genreübergreifende Jobs gebucht werden – etwa von Sting. Hauschka nahm ihr Spiel nach seiner Partitur vor Ort auf und mischte daheim in Flingern sein Piano dazu und Geräusche des Lebens: Knarzen, Schaben, Brummen.

Obwohl das instrumentale Musik ist und Hauschka keine Texte schreibt, erzählen seine Stücke etwas. Vielleicht liegt es an den sprechenden Namen, dass die impressionistisch getupften Titel die Hörer am roten Faden durch eine Geschichte führen: "Alexanderplatz", "Madeira", "Snow", "Early In The Park". Man fühlt sich in der Gegenwart aufgehoben mit dieser Platte, auf anrührende Weise der Zeitgenossenschaft versichert.

Bertelmann kam über Rap und Electronica zum reinen Pianoklang. Als Hauschka musiziert er nun in einem Genre, das noch keinen Namen hat. "Neue Klassik" oder "Neo-Klassik" wird es mitunter genannt, aber der Begriff trifft es nicht. Hauschka und verwandte Künstler benutzen oft das klassische Instrumentarium, verstehen sich als Komponisten. Und sie entstammen einem Umfeld, das mit Techno und House vertraut ist. Musiker wie Max Richter und Johann Johannson verdienen ihren Lebensunterhalt oft mit Soundtracks. Sie wissen, wie man Stimmungen aufbaut. Der 44-jährige Richter etwa komponierte die Musik für "Waltz With Bashir" und "Die Fremde" mit Sibel Kekilli in der Hauptrolle. Hauschka arbeitete für die Krimiserie "Ein Fall für Zwei".

Der Erfolg dieser zerbrechlich wirkenden Musik ist verblüffend. Seit seinem vorletzten Album "Ferndorf", einer Hommage an die Plätze seiner Jugend im Siegerland, spielt Hauschka auf Festivals wie dem in Roskilde, in Hallen wie der Queen Elizabeth Hall. Die "New York Times" veröffentlichte über seinen Auftritt in den USA eine hymnische Besprechung.

Es passt, dass Hauschka an einem Projekt für die Deutsche Grammophon arbeitet. Das Traditionslabel hat die Nähe von Musikern aus dem Bereich Elektronik zum eigenen Katalog früh erkannt. In einer CD-Reihe mit dem Titel "Recomposed" lässt es Produzenten und DJs wie Carl Craig und Moritz von Oswald kanonisierte Werke zerlegen und neu zusammensetzen.

Die nächste eigene Platte von Hauschka soll indes in eine andere Richtung gehen. Er möchte Techno machen, ausschließlich mit Klavier und Schlagzeug. Die Drummer der Bands Calexico, Mum und Modest Mouse hat er zu diesem Zweck eingeladen, er selber sitzt am Klavier. Auch das wird sicher gut klingen.

(Rheinische Post)
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