Berlin Berlinale: Goldener Bär geht nach Ungarn

Berlin · Ein Neuer stellt sich vor in einem Budapester Schlachthof, ein lässiger Typ, der gleich beteuert, dass Rindertöten am Fließband ihm nichts ausmache. "Sie müssen Mitgefühl mit den Tieren haben, sonst überstehen sie das hier nicht", entgegnet ihm der Geschäftsführer des Schlachthofs. Dieser Chef wird bald eine wundersame Liebesgeschichte erleben, mit einer ängstlichen Frau erst einen Traum, dann sein Leben teilen. Ildikó Enyedis Drama "Körper und Seele" ("On Body and Soul") hat in diesem Jahr den Wettbewerb der Berlinale gewonnen. Obwohl der Film eine private Liebesgeschichte in barbarischer Umgebung erzählt, ist die Wahl auch ein politisches Zeichen: Die Jury unter dem Vorsitz des niederländischen Regisseurs Paul Verhoeven ehrt ein Werk, das von Mitgefühl handelt, zwei schüchterne Menschen zu Helden macht und selbst eine Atmosphäre erhöhter Sensibilität erzeugt, auch mit drastischen Schlachthausbildern - bei ersten Publikumsvorführungen in Berlin sind Menschen in Ohnmacht gefallen. Trotzdem ist der Film ein stilles, starkes Zeichen gegen die Populisten und Polterer in der Welt.

Der von vielen als Favorit gehandelte finnische Regisseur Aki Kaurismäki erhält für sein Flüchtlingsdrama "Die andere Seite der Hoffnung" den Silbernen Bären für die beste Regie. Die beiden Schauspieler-Bären gehen an Darsteller in eher sperrigen Werken: Die Südkoreanerin Kim Min-hee wird für ihre Darstellung einer Schauspielerin in tiefer Sinnkrise geehrt, der Österreicher Georg Friedrich für sein intensives Spiel in Tomas Arslans Drama "Helle Nächte". Darin versucht ein geschiedener Vater bei einer Reise durch Norwegen eine Beziehung zu seinem 15-jährigen Sohn aufzubauen. Bei der Preisverleihung gab sich Friedrich betont unangepasst und klebte sein Kaugummi auf die Bärentrophäe, ehe er sprach.

(dok)
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