Trauer um den Tod des emeritierten Papstes Warum die Aufbahrung wichtig ist
Analyse | Vatikanstadt · Die Aufbahrung des verstorbenen Benedikt XVI. ist ein altes, wichtiges Ritual: Sie macht Trauer und Abschied in der Gemeinschaft möglich und symbolisiert in der Kirche zugleich den Übergang zu etwas Neuem.

Leichnam von Benedikt XVI. in Kapelle aufgebahrt
Die Bilder eines Toten in aller Öffentlichkeit! Noch dazu aus verschiedenen Perspektiven und mit Trauernden an der Bahre. Die Bilder vom verstorbenen Benedikt XVI. scheinen indiskret, für viele Menschen ungewöhnlich, für manche auch irritierend und verstörend zu sein. Zeigen diese Bilder nicht etwa einen Mangel an Respekt gegenüber dem Verstorbenen?
Solche Fragen stellen sich allerdings erst in einer Gesellschaft, die das Sterben und den Tod aus dem öffentlichen Raum zunehmend verbannt und ins Private verlegt hat. Ein uraltes Ritual wird in modernen Gesellschaften delegiert an professionelle Einrichtungen wie die Bestatter. Dort – in besonderen Verabschiedungsräumen – gibt es noch die Möglichkeit, sich vom aufgebahrten Menschen zu verabschieden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Zum Tod des emeritierten Papstes wird das alte Ritual nicht nur wiederbelebt, seine Bedeutung wird vielmehr hervorgehoben: mit den Tausenden von Menschen, die vor dem Petersdom viele Stunden des Wartens in Kauf nehmen, um Abschied von Benedikt zu nehmen. Die Aufbahrung ist eine Form der Trauerbewältigung. Der Schmerz über den Tod eines Menschen trägt damit nicht jeder in sich aus, sondern wird in der Gemeinschaft eingebettet. Die Trauer aller ist letztlich auch die Bestätigung eines Lebenswerks. Psychologie, Spiritualität und Glaubensgewissheit finden dabei zusammen.
In früheren Zeiten war die Aufbahrung auch kirchenpolitisch immens wichtig. Der Leichnam eines Papstes war für alle Gläubigen der augenscheinliche Beleg für das Ende eines Pontifikats und machte damit den rechtmäßigen Weg frei für die Wahl eines Nachfolgers. Ungeachtet dieser handfesten Beweise ist bei Benedikt XVI. manches doch anders. Schließlich hat die römisch-katholische Kirche in Papst Franziskus bereits seit Jahren ein Oberhaupt. Es bedarf also keiner Nachfolge. So wird noch mit dem Tod eine gewisse Eigenmächtigkeit Benedikts sichtbar. Denn eigentlich hätte er mit seinem Amtsverzicht im Februar 2013 das Gewand des Papstes ablegen müssen, so der Münsteraner Kirchenhistoriker Norbert Kösters. „Er hätte sich danach kleiden müssen, was er vor seinem Rücktritt gewesen ist – als Kardinal.“ Nach seinen Worten erleben wir jetzt „de facto die Beerdigung eines verstorbenen Kardinals“. Dies aber wäre nach den rund neun Jahren seines Auftretens als emeritierter Papst kaum zu vermitteln gewesen.
Was also bleibt, ist die Aufbahrung eines toten, früheren Papstes; was bleibt, ist ein Übergangsritual von großer, bedeutsamer Anschaulichkeit: Es dokumentiert den Übergang vom Alten zum Neuen, beschreibt den Wechsel von einer Phase menschlicher Existenz zur anderen. Im christlichen Kontext ist dies ein Ritual der Unumkehrbarkeit wie auch bei der Taufe und der Eheschließung. Zu solchen Übergangsritualen sind keine Worte, keine Erklärungen, auch keine Begründungen nötig. Das Ritual vollzieht sich vor allem in der Handlung. Darin ruht seine symbolische Kraft.
Mit der Aufbewahrung wird der Tod nicht verständlich. Aber er wird in einer besonderen Form begreifbar. Auch das gehörte vor gar nicht allzu langer Zeit noch zum gewöhnlichen Umgang mit dem Tod. So war es durchaus Tradition, dass die Nachbarn den Toten wuschen, kleideten, betteten.
Die Aufbewahrung des Leichnams des emeritierten Papstes ist mehr als eine Erinnerung an Tradition – sie weist als Übergangsritual immer auch in die Zukunft.