Ben Kingsley als weiser "Medicus" des Mittelalters

Die Literaturverfilmung ist ein packendes Historien-Drama. Der Oscarpreisträger und Stellan Skarsgård brillieren in Nebenrollen.

Rob Cole kann nicht anders. Der Drang, den menschlichen Körper zu erforschen und ein herausragender Medicus zu werden, ist größer als die Vorsicht. Also wagt er sich an das Verbotene: Er schneidet eine Leiche auf. Die Religionen setzen dies mit Leichenschändung gleich. Durch die Obduktion erlangt Cole ein Wissen, das alle bisherigen anatomischen Theorien ad absurdum führt. Doch er wird erwischt. Es ist sein Todesurteil. Nur ein Ausweg bleibt. Der mächtige Schah ist krank und braucht seine Hilfe.

"Der Medicus" ist einfesselndes Historien-Drama. Rob Cole, gespielt vom britischen Nachwuchsschauspieler Tom Payne, muss als Kind im mittelalterlichen England mit ansehen, wie seine Mutter stirbt. Er bemerkt dabei die Gabe, den nahendenTod zu fühlen. Mit einem Bader (Stellan Skarsgård), einem Gaukler sowie Arzt der unteren Schicht, zieht er fortan durch das Land und kümmert sich um Kranke. Die Medizin ist im damaligen Westeuropa nicht viel mehr als Aberglaube. Cole will aber mehr. Er will vom großen Medicus Ibn Sina (Ben Kingsley), einer Koryphäe der Medizin, lernen. Dazu muss er nach Persien. Sina lehrt ihn schließlich die Heilkunst. Sie kämpfen gemeinsam gegen die Pest. Dann bricht Cole das Tabu.

"Der Medicus" ist die Verfilmung des Bestsellers von Noah Gordon. Der Roman verkaufte sich weltweit knapp 21 Millionen Mal, alleine mehr als sechs Millionen Mal in Deutschland. Die Kino-Produktion, bei der der Deutsche Philipp Stölzl Regie führte, hat mehr als 26 Millionen Euro gekostet. Gedreht wurde unter anderem in Marokko, in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Palast des Schahs Ala ad-Daula (Olivier Martinez) stand nicht in Persien, sondern in den Kölner MMC Studios.

"Der Medicus" war besonders in Deutschland ein großer Erfolg und zählte 2013, gemessen an der Zuschauerzahl, zu den Top-30-Filmen. An der Spitze der Kinocharts lieferte er sich ein Duell mit dem "Hobbit". Bereits nach drei Wochen hatten das Drama knapp 2,3 Millionen Zuschauer gesehen. Eine Goldene Leinwand gab es dann für das Überwinden der Drei-Millionen-Marke.

Tom Payne spielt seine erste Hauptrolle. Der Brite agiert glaubhaft als vom Wissensdurst und der Medizin besessener Rob Cole. Mitunter wirkt er etwas zu zart und will zu sehr Frauenschwarm sein statt angehender Medizinier.

Coles große Liebe Rebecca wird gespielt von der Britin Emma Rigby, die mit ihrer Anmut und dem eindringlichen Blick ihrer großen Augen nicht nur dem angehenden Mediziner den Kopf verdreht. Er lernt Rebecca, die einem persischen Mann versprochen ist, während seiner Reise kennen. Nach einem Sandsturm glaubt er, sie sei tot. Sie ist es nicht. Auch die Pest und Feuer können Rebecca nichts anhaben. Cole rettet sie immer. Da wird das Drehbuch trotz aller Zugeständnisse an die Romantik unglaubwürdig.

Die wahren Stars des Films sind allerdings ohnehin andere: Ben Kingsley, der einst einen Oscar für seine Titelrolle in "Ghandi" gewonnen hatte und auch aus Filmen wie "Schindlers Liste" und "Shutter Island" bekannt ist, gibt einen fantastischen Ibn Sina ab. Er wirkt weise und strahlt eine enorme Macht aus. Wie in jedem seiner Filme besticht er durch seine Ausstrahlung. Man glaubt ihm jedes Wort.

Der Schwede Stellan Skarsgård brilliert als schroffer, aber liebenswürdiger Bader, der auch mal einen über den Durst trinkt und stets die "prächtigen Weiber" lobt. Allein wegen Kingsley und Skarsgård lohnt es sich, den Film anzuschauen.

Mit Elyas M'Barek und Fahri Yardim zählen auch zwei deutschsprachige Schauspieler zur Besetzung. Yardim verkörpert den skrupellosen Davout Hossein ganz ordentlich. M'Barek spielt den feierwütigen Karim, ebenfalls ein Schüler von Sina. Man muss also erst gar nicht versuchen, das Bild des großmäuligen Machos aus dem Kopf zu bekommen, den M'Barek in Filmen wie "Türkisch für Anfänger" und "Fack ju Göhte" abgibt. Der 32-Jährige spielt nicht schlecht, fällt aber wie Yardim im Vergleich zu einer Größe wie Kingsley erheblich ab.

Regisseur Stölzl hat einen beeindruckenden Film geschaffen. Er zeigt die Brutalität des Mittelalters, Kämpfe zwischen den Religionen und den Widerstand gegen die Medizin, die als schwarze Magie verschrien ist. "Der Medicus" ist eine zweieinhalbstündige Reise in eine andere Welt. Stölzls Inszenierung ist zwar spannend. Das Ende zielt allerdings zu unvermittelt in Richtung Happy End. Das passt nicht zu den blutigen Szenen kurz davor.

(RP)
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