Mit der Stimme von John Lennon So klingt „Now And Then“ – der letzte Song der Beatles

Düsseldorf · „Now And Then“ heißt das schon 1979 komponierte, aber erst jetzt erschienene Lied, auf dem John Lennon zu hören ist – gemeinsam mit allen Mitgliedern der „Fab Four“. Wir haben es uns angehört.

 George Harrison (von links), John Lennon, Ringo Starr und Paul McCartney im Jahr 1968.

George Harrison (von links), John Lennon, Ringo Starr und Paul McCartney im Jahr 1968.

Foto: dpa/-

Da ist sie, die Stimme von John Lennon, so frisch, so vertraut, und doch so noch nie gehört: „Now And Then“, ein Liebeslied voller Hingabe, von ihm schon 1979, geschrieben, voll reiner Poesie, die Art von Songs, die zum Besten zählen, was der Sänger, Pianist und Komponist je geschaffen hat. Endlich kann man dieses Lied hören, es ist tatsächlich das letzte Stück, das wirklich alle Mitglieder der Beatles versammelt, und sie klingen zusammen so, als hätten sie es tatsächlich gemeinsam gespielt. Dabei ist „Now And Then“ lange nach der Auflösung der legendären britischen Band fertiggestellt und am Donnerstag schließlich veröffentlicht worden.

Es ist eine späte, mit Spannung erwartete Premiere, die ohne künstliche Intelligenz nicht möglich gewesen wäre. Denn erst mithilfe einer hochmodernen Software konnte die Stimme Lennons, der 1980 von einem psychisch Kranken vor seiner Wohnung in der Nähe des Central Park in New York City erschossen wurde, aus einer alten Demo-Kassette extrahiert werden. „I miss you“, heißt es einmal im Refrain, und ja, wie sehr hat man selbst diesen melancholischen, nostalgischen Sound vermisst, die typischen Beatles-Harmonien, für die Piano, Gitarre und Streicher sorgten.

„Now And Then“ passt auch nach Jahrzehnten wie kein zweiter Titel zu diesem Song, weil er Gegenwart und Vergangenheit elegisch umschließt. Er erscheint als Single zusammen mit einer Wiederveröffentlichung von „Love Me Do“, der ersten Auskopplung der Band aus dem Jahr 1962. Ein bis heute faszinierendes Stück Musikgeschichte, das dem Anfang der Band in diesen Tagen gewissermaßen den großen Schlussakkord hinzufügt. Noch einmal scheint die magische Ära der „Fab Four“ zu Ende zu gehen, versöhnlicher denn je, auf jeden Fall viel sanfter als an jenem 10. April 1970, als Paul McCartney die Trennung bekannt gegeben hatte – fast beiläufig in einem Interview für die britische Presse, das einem Vorabexemplar seiner ersten Solo-LP „McCartney“ beilag. „Persönliche, geschäftliche und musikalische Differenzen, aber vor allem, damit ich mehr Zeit für meine Familie habe“, führte er als Gründe für seinen Ausstieg an.

Dabei waren die Spannungen zwischen den vier Musikern, ihre Ambitionen auf Solokarrieren schon länger unübersehbar geworden. Dennoch kam die Auflösung der Band damals für Millionen von Fans überraschend – und beinahe einer Vertreibung aus dem Rock- und Pop-Paradies gleich. Bis dahin hatten die Beatles mehr als 500 Millionen Schallplatten verkauft sowie 20 Mal in den USA, 17 Mal in Großbritannien und elf Mal in Deutschland die Nummer-eins-Hits in den Singlecharts gelandet. In den Albumcharts erreichten sie diese Position bis 1970 in den USA 14 Mal, in Großbritannien elf Mal und in Deutschland neun Mal. Mit insgesamt mehr als einer Milliarde verkauften Tonträgern gehören sie bis heute zu den erfolgreichsten Bands aller Zeiten.

Er habe lange mit sich gehadert, ob sie „Now And Then“ fertigstellen oder unvollendet lassen sollten, räumt McCartney mehr als ein halbes Jahrhundert später ein. Viele Male habe er sich gefragt, was John wohl dazu sagen würde. „Ich weiß, die Antwort wäre ‚Ja‘ gewesen“, ist sich der 81-Jährige sicher.

Sean Lennon, der Sohn von John Lennon und Yoko Ono, fühlte sich während der Fertigstellung wie in einer Zeitkapsel: Es sei äußerst berührend gewesen, alle Bandmitglieder noch einmal zusammenarbeiten zu hören. „Ich erinnere mich, dass mein Vater ständig Musik im Haus machte und Demo-Kassetten aufnahm“, berichtete der 48-Jährige mit Blick auf seine Kindheitstage: „Mom hatte eine Handvoll Songs, die mein Dad nie fertiggestellt hatte, und sie gab sie den Beatles.“

Das war 1994. Wenig später kamen die drei Überlebenden Bandmitglieder erneut für „Anthology“ zusammen. Dabei wurden von ihnen die beiden bislang unveröffentlichten Lennon-Songs „Free As A Bird“ und „Real Love“ 1995 letztmals unter dem Namen Beatles herausgebracht. Unvollendet blieb allein „Now And Then“. „Jedes Mal, wenn wir mehr von Johns Stimme hören wollten, kam das Klavier durch und hat sie überlagert“, beschreibt Paul McCartney das Problem. Immerhin spielte George Harrison, der 2001 an Lungenkrebs starb, vor fast drei Jahrzehnten bereits den Gitarrenpart ein.

Paul McCartney veröffentlicht private Fotos aus der Beatles-Zeit
5 Bilder

Paul McCartney veröffentlicht private Fotos aus der Beatles-Zeit

5 Bilder
Foto: AFP/-

In der Zwischenzeit aber gab es gewaltige technologische Fortschritte, die es ermöglichen, alte Audio-Aufnahmen perfekt zu restaurieren. Peter Jackson, der Regisseur von „Herr der Ringe“- und der „Hobbit“-Trilogie, hatte 2021 auch die Beatles-Doku-Serie „Get Back“ produziert und dafür mit seinem Team eine revolutionäre Software entwickelt. Damit ließen sich einzelne Instrumente und Stimmen isolieren.

Paul McCartney und Ringo Starr (83) zögerten daraufhin nicht: Der eine spielte den Bass neu ein und fügte ein Slide-Gitarren-Solo im Stil von Harrison hinzu, der andere steuerte das Schlagzeug bei. „Es ist, als wäre John da. Echt verrückt“, befand Ringo Starr.

Mag sein, dass es bessere Songs der Beatles gibt als „Now And Then“. Und womöglich ist es seine außergewöhnliche Geschichte, die die Faszination dieses Liedes ausmacht. Sicher ist, dass sich sehr, sehr viele alte und junge Beatles-Fans dieses Stück nicht entgehenlassen werden.

„Now And Then“– Auf Wiederhören. We still miss you.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort