Bayreuth Bayreuth: Gelassenheit beim "Ring"

Bayreuth · Bei den Festspielen feierte Frank Castorfs Inszenierung Premiere.

Bayreuther Festspiele Spielplan 2016: Eine Übersicht
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Das ist der Spielplan der Bayreuther Festspiele 2016

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Wer hätte gedacht, dass der Bayreuther Festspielbetrieb so schnell zurückfindet zur Normalität? Nach dem hysterischen Sicherheits-Tamtam bei der "Parsifal"-Premiere mit Hubschraubern und Polizei-Hundertschaften, war die Stimmung an den Tagen danach auf dem Hügel wie ausgewechselt. Freilich ist noch immer die Auffahrt gesperrt und das Gelände weiträumig abgeriegelt. Aber die Beamten winken einen durch, die Taschengröße wird allenfalls taxiert.

Nun also der vierte Jahrgang des ungeliebten Castorf-"Ring" in weitgehend neuer Sänger-Besetzung. Und vor allem erstmals mit Altmeister Marek Janowski am Pult, der den bejubelten Kirill Petrenko beerbt. Der 77-jährige Janowski hatte sich in den 1990er Jahren von der Bühne zurückgezogen, da er mit dem Regie-Theater haderte. Und nun feiert er sein Bayreuth-Debüt ausgerechnet mit dem "Ring" Castorfs, der nicht zimperlich mit Wagners Tetralogie umgeht. Dass Janowski möglicherweise genervt wegguckt, statt Kontakt mit der Bühne zu halten, lässt sich im ersten Akt der "Walküre" vermuten, der an mehreren Stellen musikalisch fast auseinander fliegt und überhaupt rumpelt und knattert. Dabei ist Castorf gerade hier wenig eingefallen, er lässt um einen Ölförderturm in Baku herum ziemlich lauwarm am Text entlang agieren, oder hat einfach vor der optisch und stimmlich krassen Fehlbesetzung der Sieglinde mit Heidi Melton kapituliert.

Musikalisch bleibt die "Walküre" auch in den folgenden Akten durchwachsen, Janowski gelingen zwar große Momente, aber meistens hetzt er durch die Partitur, falsche Töne und Kieckser dringen aus dem Graben, die Walküren drehen auf bis zur Schmerzgrenze, aber vor allem Catherine Foster als souveräne, pointiert singende Brünnhilde, der famose Georg Zeppenfeld als Hunding und der erst spät in Fahrt kommende John Lundgren als Wotan reißen es raus. Der Rest ist solide.

Ganz anders "Rheingold", das Satyr-Vorspiel zum "Ring", bei dem Castorf ein Feuerwerk an Ideen zündet und in einem Motel an der Route 66 samt Tankstelle mittels Video und mehreren Spielebenen so viele Geschichten parallel erzählt, dass man kaum mitkommt. Das Banalisieren der Götter zum Rotlicht-Völkchen bekommt Wagner nicht schlecht, allein schon Roberto Saccàs mafiöser Loge ist den Besuch wert. Sängerisch ragen heraus Nadine Weissmanns Erda, ausstaffiert als Puffmutter mit Marlene-Flair und glühendem Mezzo und Günther Groissböck als Fasolt mit makelloser Diktion.

Castorf schafft es im "Rheingold", dass sich nicht eine einzige typische Sänger-Geste einschleicht, und die neuen Rheintöchter agieren so virtuos als koksnervöse Tussen, als wären sie frisch eingeflogen von Castorfs Bald-nicht-mehr-Heimat am Rosa-Luxemburg-Platz. Janowski setzt Castorfs Fragmentarisierung seine alte Schule entgegen, was hübsche Reibungen ergibt und erhabene Momente mit Trash-Ästhetik konterkariert.

(RP)
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