Bayreuth gedenkt jüdischer Musik

Auf dem Grünen Hügel steht seit je vereinsamt die Büste Wagners, die Hitlers Lieblingsbildhauer Breker schuf. Nun hat der Komponist Gesellschaft: Sein Blick fällt auf die Gesichter ehemaliger Musiker der Bayreuther Festspiele, die entlassen, deportiert oder umgebracht wurden – weil sie Juden waren. Diese Gesichter prangen in Schwarz-Weiß-Fotos von grauen Gedenktafeln, Grabplatten gleich, die vom Schicksal dieser Künstler berichten; sie sind Teil einer Ausstellung, mit der Bayreuth seine finstere Besetzungspolitik aufzuhellen sucht. Wer an diesen Tafeln vorbeischlendert, bleibt erst neugierig stehen, versinkt dann in der Lektüre – und geht nachdenklich weiter.

"Verstummte Stimmen" heißt die Schau. Sie war seit 2006 schon in Berlin, Stuttgart, Darmstadt und Dresden zu sehen, jeweils zugespitzt auf lokale Verhältnisse und den Zeitraum 1933 bis 1945. In Bayreuth sind diese Verhältnisse immer schon spezieller gewesen, seit Wagners Schriften gegen das "Judentum in der Musik". Cosima, Wagners Ehefrau, ging über den rein theoretischen Ansatz ihres Gatten weit hinaus und rühmte sich 1888, eine Aufführung der "Meistersinger von Nürnberg" gänzlich ohne Juden bestritten zu haben.

Der Dirigent Karl Muck war von ähnlicher Leidenschaft erfüllt. War die Auslese einmal nicht möglich, dann müsse man "in den sauren jüdischen Apfel beißen". Muck gab seiner Gesinnung allerdings nicht nur eine antisemitische Ausrichtung, auch Sozialdemokraten suchte er aus dem Orchester zu verbannen, da "rote Verlumpung" drohe.

Neben den 30 Tafeln im Festspielpark sind weitere Stellwände im Rathaus aufgestellt. Sie besitzen keinen Bezug zu den Festspielen, erinnern aber anhand von 44 Biografien ans Schicksal weiterer Stars der deutschen Opernszene im Nationalsozialismus. Die Namen der Opfer haben noch heute Glanz: Alexander Kipnis oder Friedrich Schorr, Ottilie Metzger oder Henriette Gottlieb. WOLFRAM GOERTZ

Info Ausstellung bis 14. Oktober in Bayreuth – www.verstummtestimmen.de

(RP)
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