Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen Deutschland hat drei neue Unesco-Welterbe-Stätten

Fuzhou · Große Ehre und wohl ein Schub in Sachen Tourismus: Die Unesco hat die drei deutschen Kurorte Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen als neues Welterbe ausgezeichnet. Und auch die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt wurde als neues Welterbe ausgezeichnet.

 Blick auf den Leopoldsplatz von Baden-Baden (Archivbild).

Blick auf den Leopoldsplatz von Baden-Baden (Archivbild).

Foto: dpa/Uli Deck

Deutschland kann sich mit neuen Welterbestätten schmücken. Die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (Unesco) zeichnete Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen am Samstag zusammen mit acht anderen europäischen Kurorten als „Große Bäder Europas“ als Welterbe aus. Das zuständige Komitee der Unesco traf die Entscheidung auf seiner 44. Sitzung in der chinesischen Stadt Fuzhou. Mit dem begehrten Titel werden nur Kultur- und Naturstätten von herausragendem universellen Wert ausgezeichnet.

Die „Großen Bäder Europas“ sind Kurorte, die vom späten 18. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert internationale Bedeutung erlangten. Natürliche Thermalwasser sind Grundlage einer Epochen übergreifenden Tradition der europäischen Badekultur. Zu den elf Kurstädten, die den Welterbetitel erhielten, zählen auch Spa (Belgien), Vichy (Frankreich), Bath (Vereinigtes Königreich) sowie Karlsbad, Franzensbad und Marienbad aus der Tschechischen Republik.

Im Stadtbild zeichnen sich die Kurorte bis heute mit Bauten aus, die auf medizinische, therapeutische und gesellschaftliche Funktionen ausgerichtet sind. „In diesen mondänen Stätten der Gesundheitspflege, der Muße und des geselligen Umgangs bildeten sich architektonische Prototypen und eine städtebauliche Typologie heraus, für die es keine frühere Parallele gibt“, teilte Baden-Baden zu der Nominierung mit.

Das Welterbekomitee tagt noch bis zum 31. Juli online und vor Ort. Es setzt sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten der Welterbekonvention zusammen. Es entscheidet in der Regel jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste und befasst sich mit dem Zustand eingeschriebener Stätten. Wegen der Pandemie war die Tagung im vergangenen Jahr verschoben worden. Auf der Welterbeliste stehen mehr als 1100 Kultur- und Naturstätten in 167 Ländern. 51 davon gelten als bedroht. Deutschland hat jetzt 47 Welterbestätten.

Auf der Tagesordnung stehen noch insgesamt fünf Bewerbungen mit deutscher Beteiligung: Darunter am Sonntag das jüdische Kulturerbe in Mainz, Speyer und Worms und der Donaulimes als Teil der römischen Grenze. Am Dienstag soll es um den Niedergermanischen Limes gehen.

Die Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, Maria Böhmer, hat die Auszeichnung der deutschen Kurorte als neues Welterbe begrüßt. „Mit ihrer Kurtradition und ihren städtebaulichen Besonderheiten bringen sie auf einzigartige Weise das Phänomen der europäischen Kurstadt zum Ausdruck“, sagte Böhmer am Samstag nach dem Beschluss des zuständigen Komitees. „Im Antlitz der heute ausgezeichneten Kurstädte spiegelt sich Europa“, sagte Böhmer. „Vielfalt und Einheit gehen hier Hand in Hand. Die Tradition der Kurbäder und ihre besondere Architektur, ihre Gemeinsamkeiten und Eigenheiten offenbaren sich hier wie nirgendwo sonst.“

Die Federführung für den Antrag bezüglich der Bäder lag bei Tschechien. Nicht ohne Grund: Die Namen der böhmische Bäder klingen wie Musik in den Ohren von Romantikern.

Vor dem Ersten Weltkrieg waren Karlsbad, Marienbad und Franzensbad unweit der deutschen Grenze Tummelplätze gekrönter Häupter, Geistesgrößen und des europäischen Adels. Heute ist die Heilung aus dem Henkeltässchen auch für weniger Begüterte erschwinglich geworden. Viele Deutsche pilgern jährlich zum Kuren zu den tschechischen Nachbarn.

Die böhmischen Bäder verfügen über die unterschiedlichsten Heilquellen: Atemwegserkrankungen, Stoffwechsel- und Durchblutungsschwäche, Magen-Darm-Beschwerden, Leber- oder Nierenprobleme. Für fast jedes Leiden gibt es ein eigenes Wasser.

Karlsbad, die legendäre Gründung Kaiser Karls IV., ist der glanzvollste und prächtigste der drei Orte. Kolonnaden, Cafes und das berühmte Grandhotel Pupp fordern dazu auf, einen oder zwei Gänge herunterzuschalten auf das gemächliche Tempo der K-und-K-Epoche. Tatsächlich lebt hier zumindest außerhalb des Sommertrubels noch habsburgische Gemächlichkeit auf.

In der Hand eins der eigentümlichen bunten Becherchen mit Schnabel zum Trinken und Inhalieren, sitzen die Kurgäste mit übergeschlagenen Beinen auf den weißen Bänken der Uferpromenade oder schlendern am Fluss die Altstadt entlang. Die dampfenden Wässerchen der zwölf Heilquellen mögen nicht sonderlich schmecken; dafür stimmt der architektonische Rahmen. Schier endlose Wandelgänge zu Ehren eher winziger Zapfsäulen, Trinkhallen des Hochadels. Man steht an der Quelle, schwatzt mit der Schnabeltasse in der Hand wie anderswo am Tresen. Wer genug hat, zieht einfach zur nächsten.

Die Trinkkur ist eine Erfindung des 16. Jahrhunderts; vorher wurde im Quellwasser nur gebadet. Doch der Überlieferung nach übertrieben die Trinker der ersten Stunde maßlos: Manche Kurgäste nahmen am Tag angeblich bis zu 70 Messbecher zu sich.

Auch eine Trinkkur anderer Art empfiehlt sich in Karlsbad. Die Apothekerfamilie Becher stellte hier 1807 die Rezeptur für ein einmaliges Kräuterelixier zusammen: den "Karlsbader Becher" (Becherovka), auch die "13. Quelle" genannt. Dazu Karlsbader Oblaten, ein Stück Schokoladentorte im Jugendstil-Cafe "Elefant" oder ein kühles Blondes aus Pilsen oder Budweis. Da mag keiner mehr ans Zipperlein denken.

Kaiser Karl VI. machte Karlsbad 1731 vorübergehend zur Residenz des Reiches, und Fürst Metternich verabredete hier mit den "Karlsbader Beschlüssen" die Gesetze der europäischen Restauration. Auch ein Papst weilte in Karlsbad: Erzbischof Annibale Graf Sermattei della Genga, der spätere Leo XII. (1823-1829).

In Marienbad, einer Gründung des Prämonstratenser-Stifts Tepl, herrscht ein morbider Charme vor. Türmchen, Erker, Balustraden, eine Spielwiese der Neo-Stile. In der gusseisernen Wandelhalle der Hauptkolonnade, einem erstaunlichen Kunstwerk der Ingenieursarchitektur, meint man, schlendernde Paare mit Zylinder, Schirmchen und baumelnden Rockschößen müssten unmittelbar um die Ecke flanieren.

Am Goethe-Platz scheint der Dichter noch immer seiner letzten großen Liebe nachzusinnen, die hier 1823 während seines x-ten Aufenthalts zerbrach: Die 18-jährige Ulrike von Levetzow lehnte den Heiratsantrag des 55 Jahre älteren Weltmanns ab. Noch auf der Rückreise verfasste Goethe in der Kutsche seine schmerzvolle "Marienbader Elegie".

Fast winzig nimmt sich der kleinste Ort des Bäderdreiecks gegen die Prachtentfaltung der beiden anderen aus. In Franzensbad, einem beschaulichen Städtchen ganz in Gelb ein paar Kilometer vor der deutschen Grenze, versprechen sich vor allem Frauen Linderung von Leiden. Moorpackungen verheißen eine bessere Durchblutung.

Als kleiner Helfer wird auch der berühmteste Franzensbader konsultiert: Frantisek, ein Bronzeknabe mit Fisch, einem traditionellen Fruchtbarkeitssymbol. Wer dem "kleinen Franz" den Fuß streichelt, bekommt ein Mädchen; wer das kleine Extra berührt, einen Jungen. Wer aber Frantiseks Nase reibt, hat noch etwas anderes im Sinn: Der Ehemann soll nicht erfahren, dass es der Kurschatten war.

Die drei böhmischen Bäder bezeichnen sich selbst gern als "Weltbäder". Dieser Anspruch rührt nicht von ungefähr. Bevor der Sozialismus dem internationalen Treiben ein Ende machte, trug sich auch noch Karl Marx in die Gästeliste ein - unter Kaisern, Königen, indischen Maharadschas und dem europäischen Hochadel: Peter dem Großen, August dem Starken, Maria Theresia, Joseph II., Napoleons Gattin Marie Louise, Kaiserin Sissi, Bach, Schiller, Schumann, Chopin, Wagner. Weltkulturerbe eben.

(felt/dpa)
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