Auf dem digitalen Prüfstand

Was stört Christoph Keese an seinem neuen, digital gesteuerten Rasenmäher? Dass das Gerät erst nach stundenlanger Installation eigenständig seinen Garten mähen kann. Der Grund: Zu wenig Kundenorientierung bei der zuständigen Bosch-Abteilung. Was fasziniert den Springer-Manager an Elektrofahrrädern mit neuen Bosch-Motoren? Dass sie ein wunderbares Fahrgefühl vermitteln. Und dass die für sie zuständige Bosch-Abteilung fast so eigenständig wie ein Startup funktioniert.

Als einer der Vordenker der digitalen Wirtschaft hat sich Keese schon länger profiliert. 2013 war er mit anderen Managern und seiner Familie für sechs Monate im Gründerparadies Silicon Valley, darüber schrieb er den Wirtschaftsbestseller "Silicon Valley. Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt." In seinem aktuellen Werk "Silicon Germany. Wie wir die digitale Transformation schaffen", beschreibt er, was sich hierzulande in Unternehmen, Staat und Gesellschaft ändern muss, um im 21. Jahrhundert vorne zu liegen.

Gut leserlich beschreibt der gelernte Journalist, dass Techniktrends wie extrem schneller Mobilfunk, Internet-der-Dinge, preisgünstige Sensoren sowie künstliche Intelligenz Wirtschaft und auch Gesellschaft auf den Kopf stellen. Die Macht der "Plattformen" in ihren jeweiligen Märkten sei ein bedrohlicher Trend. Keese erzählt unter Verweis auf einen Test, dass Studenten zwar jeweils viele Wettbewerber zu Aral, Edeka oder BMW nennen können, aber eine Alternative zu den erst wenige Jahre alten Unternehmen Facebook, Netflix, Youtube oder dem digitalen Zimmervermittler Airbnb kennen nur wenige.

Den Unternehmen in Deutschland rät der Wirtschaftswissenschaftler, ihre traditionellen Geschäftsmodelle unbedingt durch kleine Ausgründungen zu ergänzen, weil ihnen sonst wegen Schwerfälligkeit der Untergang im digitalen Zeitalter droht.

Was gefällt an dem 368-Seiten-Werk? Die sehr konkreten Beschreibungen vieler Unternehmen im Umbruch. Die scharfe Analyse, warum in Deutschland Politik und Wirtschaft bisher viel zu wenig digital denken. Und am Ende doch ein großer Zukunftsoptimismus.

Christoph Keese: Silicon Germany. Wie wir die digitale Transformation schaffen, 2016, Albrecht-Knaus-Verlag, 368 S., 22,99 Euro

(RP)
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