Art Düsseldorf Schönheit zu verkaufen

Düsseldorf · Kunst zwischen 2000 und 1,2 Millionen Euro: Die Art Düsseldorf bietet Arbeiten von Man Ray und Gerhard Richter zum Kauf an. Die Stimmung ist nach der Corona-Flaute erwartungsfroh.

Blick in die Hallen der Art Düsseldorf.

Blick in die Hallen der Art Düsseldorf.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Endlich wieder eine richtige Art Düsseldorf und kein ödes Online-Viewing! Da der Bund über das Rettungsprogramm für Kultur 40 Prozent der Standmiete übernimmt, fühlen sich 95 Galeristen in den hohen, hellen Hallen wie im Paradies. Alle Kojen im Areal Böhler sind offen, die Standflächen riesig. Die Besucher können an der Kunst vorbeischlendern, und die Händler haben keine Berührungsängste. Messechef Walter Gehlen und sein Team sorgten für eine großzügige Inszenierung. Nun dürfen die Kunden schauen, staunen und kaufen. Die Preise liegen von 2000 Euro bis 1,2 Millionen für eine „Sitzwurst", einen hellblauen Alu-Lindwurm von Franz West.

Die Kunstmesse ist überwiegend lokal. Rheinische und Berliner Galerien bestimmen das Feld, flankiert von Händlern aus Österreich, der Schweiz und den Beneluxländern. Beinahe exotisch wirken die wenigen Vorkämpfer aus Istanbul, Kalkutta und Buenos Aires. Alle Händler hoffen auf ein kauffreudiges Publikum. Elisabeth Thoman aus Wien nennt die Besucher in Düsseldorf einen „ganz wichtigen Kundenkreis", hier liege ihr deutsches Stammpublikum. Sie glaube daher felsenfest, dass auch diesmal das Geschäft gut laufen wird. Der Düsseldorfer Michael Cosar nennt die Atmosphäre sogar „sensationell".

Ulla Gansfort von Schönewald spricht vom „Hunger auf Kunst". Angesichts des rückläufigen Immobilienmarktes erscheinen Skulpturen wie Bilder als die letzten bleibenden Werte. Aber bei manchem Händler geht es auch um einen „Hunger auf Brot". Vor allem kleinere Galerien haben die Messe bitter nötig, waren die letzten Monate doch hart. Die Flaute ist nicht überwunden. So sind die kostbare Fotofolge der „Femmes" von Man Ray bei Linn Lühn oder die Typen vom Kottbusser Tor von Joel Stevenett bei boa-basedonart noch immer zu haben.

Auch die Künstler freuen sich über den Neustart. Katharina Sieverding, die große Dame der Fotokunst, tanzte in der Knust-Kunz-Galerie voller Stolz um ihre vierteilige Arbeit zum „Kontinentalkern" von 1983 herum, in der es um den bloßen Knopfdruck zum Auslösen des Atomkriegs geht. Dieses magisch schillernde Werk ist aktueller denn je. Aber das ist die Ausnahme.

Viele Künstler und Galeristen umgehen das Zeitgeschehen und zielen nur auf den schönen Glanz. Bei Cosar zeigt Hadassah Emmerich aus Gent eine exotisch-erotische Pracht. Bei Schönewald ist es ein kleines buntes Hinterglasbild von Gerhard Richter, das nichts aussagt, aber sehr gefällt. Bei Setareh lässt die Iranerin Sor Soraya Shargie eine grazile Gestalt auf acht Lagen Farbe tanzen, als sei der Sieg über die Mullahs schon erfolgt.

Vertreten sind die großen Namen wie Uecker, Kneffel und die Bechers. Storms preist als Nachlassverwalter den konkreten Maler Günter Fruhtrunk, dessen Bild aus dem Todesjahr 1982 auf 300.000 Euro gestiegen ist. Überhaupt haben es jene Händler gut, die ein Werk auf Dauer vertreten. So hat Volker Diehl den Nachlass von Günter Weseler und Michael Haas den von Gerhard Naschberger erworben. Der Künstler der „Mülheimer Freiheit" ist wilder, temperamentvoller und frischer als mancher Zeitgenosse. Zauberhafte Abstraktionen präsentiert die Produzentengalerie.

Es gibt Verwunderliches. So hat die Galerie Kicken zwar ein bedeutendes Konvolut von Fotos an den Kunstpalast verkauft, aber offensichtlich nicht alles, denn sie bietet Trinkhallen der Becher-Schülerin Tata Ronkolz weiterhin an. Stefan Sehler zeigt bei Cosar ein perfektes Gaukelspiel mit einem Wolkenhimmel als scheinbares Farbfoto. Tatsächlich hat der Schelm die Schäfchenwolken aus bloßer Watte auf eine Glasplatte gelegt, mit Himmelblau aus der Spraydose überzogen und anschließend die Watte abgenommen, um die freien Stellen weiß zu pinseln. Viel Humor beweist Tony Cragg bei Buchmann mit einem tonnenschweren Doppelkopf, wobei der kleine Kopf den großen trägt, als sei er ihm in all den raffinierten 3D-Programmen zu Kopf gestiegen.

Abgeschlagen ist das Genre der Künstlichen Intelligenz. Hier hält Manuel Graf (Van Horn) mit seinen in Metall gegossenen 3-D-Drucken die Stellung. Melancholisch wirken die nächtlich dunklen Ballons von Stefan Knauf, die in einer abenteuerlichen Technik entstanden sind. Der Künstler hat jeweils zwei Stahlbleche verschweißt, mit Wasser gefüllt und den Zwischenraum im Hochdruckverfahren aufgepumpt. Einen zauberhaften Stilmix aus 1920er Jahren und Volkskunst präsentiert die Newcomer-Galerie Livie mit Austin Eddy. Bei Pieters demonstriert der hierzulande unbekannte Hans Vandekerckhove, wie wohltuend eine Malerei sein kann, in der die Zeit still steht. Den Vogel aber schießt Thomas Ruff mit einem verlockend schönen fraktalen Teppich ab.

Insgesamt also eine gelungene Kunstmesse.

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