Düsseldorf Düsseldorfs neuer Leuchtturm der Kunst

Düsseldorf · Die "Art Düsseldorf" übertrifft die Erwartungen. Hochrangige Gegenwartskunst kommt in drei Industriehallen glänzend zur Geltung.

Messe-Atmosphäre ist anderswo. Die neue "Art Düsseldorf" im Areal Böhler an der Grenze zu Meerbusch wirkt wie ein Gesamtkunstwerk. Vor etwa vier Meter hohen, strahlend weißen Wänden breitet sich Kunst der Gegenwart aus. Blickt man höher, so gibt die einstige Industriehalle Beton und Mauerwerk zu erkennen. Tageslicht fällt durch die Dächer, gut kalkuliertes Kunstlicht mischt sich hinzu. Eine schönere Innenarchitektur kann man sich kaum vorstellen.

Die klare Kulisse lässt jedwede Kunst vorzüglich zur Geltung kommen. Und da gibt es einige Überraschungen. Denn die "Art Düsseldorf" ist zwar erheblich kleiner als ihre Konkurrenz in Köln, doch auf dem geringeren Platz verdichtet sich die Qualität. Arbeiten im Wert von mehreren Millionen Euro zählen dazu.

Den Blickfang allerdings bildet die unverkäufliche Leihgabe eines Privatsammlers: drei übermannshohe "Große Geister" des Düsseldorfers Thomas Schütte. Sie stimmen das Publikum ein auf das, was ringsum geschieht. Am Stand der Düsseldorfer Galerie Beck & Eggeling zum Beispiel stehen 30 kopflose Figuren aus Leinen und Harz aus dem Atelier der im Frühjahr gestorbenen Polin Magdalena Abakanowicz, Preis: 1,2 Millionen Euro.

Die Düsseldorfer Galeristin Linn Lühn bietet Lampen der Amerikanerin Carmen D'Apollonio an, Zwitter zwischen Kunst und Design, käuflich zu Preisen zwischen 3500 und 6000 Euro. Außerdem zeigt sie ein Wandrelief aus weißer Pappe, das der Düsseldorfer Akademie-Absolvent Florian Baudrexel gestaltet hat. Da trifft es sich gut, dass auf dem Areal Böhler auf dem Weg zur Messe soeben eine Betonskulptur des Künstlers in gleichem Stil Platz gefunden hat.

Eine Spezialität der "Art Düsseldorf" sind die sogenannten References: hervorgehobene Stände, die ein Meisterwerk aus der Zeit vor 1945 mit späteren Werken anderer Künstler kombinieren. Mario Mauroner aus Salzburg/Wien stellt dem Gemälde "Edelklippe" von Paul Klee Bilder des in Paris lebenden Toguo Barthelemy aus Kamerun gegenüber - eine Aufforderung zum vergleichenden Sehen. An anderer Stelle verknüpft der Kunsthandel Michael Werner aus Köln das Gemälde "Ruhende Akte" (um 1939) von Francis Picabia mit Arbeiten von Sigmar Polke, der sich davon anregen ließ - wie auch Picabia seinerseits gern in die Kunstgeschichte griff.

Das Gesamtkunstwerk "Art Düsseldorf" umfasst auch Erlebnisräume. Am Stand von Brigitte Schenk aus Köln kann jeder Besucher einen Hochstand erklettern, den der Gen-Biologe Klaus Fritze errichtet und mit Pflanzen unterfüttert hat, die in Gläsern wachsen. Mit der Einladung zum Blick über die Messestände möchte er die Besucher in vielerlei Hinsicht dazu auffordern, die Perspektive zu wechseln. Das Ensemble kostet 35.000 Euro. Im Preis inbegriffen ist eine Anpassung an den künftigen Standort, den ein Käufer dafür wählt.

Hans Mayer aus Düsseldorf ist mit einer exquisiten Auswahl schwarz-weißer Arbeiten des Fotografiekünstlers Jürgen Klauke aufs Areal Böhler gezogen, und Sies und Höke zeigen eine schwarze bronzene Badewanne, auf deren Oberfläche sich schwarze Menschlein befinden - eine Arbeit des portugiesischen Künstlerduos Joa Maria Gusmao und Pedro Paiva.

In der nächsten Halle hat Jonathan Meese, das populäre Enfant terrible der Kunstszene, an gleich zwei Ständen Auftritte mit seiner kruden Kunst: sowohl bei Krinzinger (Wien) als auch bei Daniel Templon (Paris). Und Max Mayer, der Sohn von Hans, stellt an seinem Stand mit Misako & Rosen aus Tokio Kleinformate des Amerikaners Richard Aldrich aus.

Walter Gehlen ist mit Andreas Lohaus Geschäftsführer des Unternehmens Art Fair International, das die Messe veranstaltet. Als er uns gestern zu den noch im Aufbau befindlichen Schauplätzen führte, nebenher seelenruhig einen Handy-Anruf nach dem anderen abarbeitend, stellte er uns auch die bemerkenswerte App vor, mit der man zu jedem Objekt der Messe Auskünfte einholen kann: einfach fotografieren, und schon verrät das Bild seinen Urheber, sein Entstehungsdatum und was Sammler sonst noch gerne wissen.

Ein wenig unwirsch wird Gehlen nur, als wir ihn auf die Konkurrenz ansprechen, die größere "Art Cologne", die anders als die "Art Düsseldorf" auch Kunst aus der Zeit vor 1945 umfasst. "Wir machen hier ein eigenes Angebot", sagt Gehlen selbstbewusst, "es ist ein Angebot, von dem ich glaube, dass es auf großes Interesse stößt." Es werde die internationale Ausstrahlung Düsseldorfs verstärken, davon ist er überzeugt.

Man braucht kein Prophet zu sein, um ihm beizupflichten. So frisch, anregend und qualitätsbewusst hat in den zurückliegenden 30 Jahren in Düsseldorf noch keine Kunstmesse ihren Einstand gegeben.

(B.M.)
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