Spielzeiteröffnung mit Büchner „Nichts Perfektes, aber viel Rebellion“

Düsseldorf · Der Regisseur inszeniert zur Eröffnung der Jubiläumsspielzeit am Schauspielhaus Büchners „Dantons Tod“.

 Regisseur Armin Petras (r.) mit Wolfgang Michalek bei den Proben zu Büchners „Dantons Tod“ am Düsseldorfer Schauspielhaus.

Regisseur Armin Petras (r.) mit Wolfgang Michalek bei den Proben zu Büchners „Dantons Tod“ am Düsseldorfer Schauspielhaus.

Foto: Thomas Rabsch

Als vor knapp 50 Jahren das neue Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses am Gründgens-Platz eröffnet wurde, gab es draußen laute Bürger-Proteste und drinnen ein Revolutionsdrama: Büchners „Dantons Tod“. Zum Auftakt der Jubiläumsspielzeit steht das Stück erneut auf dem Programm. Regie führt der frühere Stuttgarter Intendant Armin Petras.

Was reizt Sie an Büchners Revolutionsdrama?

Petras Ich habe schon zweimal mit großer Freude in Düsseldorf inszeniert. Nun wollen wir eine Kohle mehr in den Ofen schieben, etwas Großes, Gewichtiges auf die Bühne bringen. Zur Wiedereröffnung des Hauses am Gründgensplatz lag es auf der Hand, wieder „Danton“ zu machen, zumal das Stück gerade wenig gespielt wird. Dabei gibt es in der Gegenwart einige Bewegungen, die versuchen, Veränderungen in unserer Gesellschaft und in der Welt auf revolutionäre Weise fortzuführen. Der Stoff ist also höchst aktuell.

Ist es Ehre oder Bürde, 50 Jahre nach der Wiederöffnung nun wieder mit Büchner anzutreten?

Petras Es ist herausfordernd und freudig, beides.

Vor 50 Jahren demonstrierten Bürger gegen den Theaterbau, weil sie ihn für zu teuer hielten und sich wegen der vielen Ehrengäste am Eröffnungsabend ausgeschlossen fühlten. Wird das in Ihrer Inszenierung eine Rolle spielen.

Petras Nein. Der Inhalt dieses Stoffes ist so bedeutend, dass es nicht um solche lokalen Ereignisse gehen sollte, obwohl wir bei der Vorbereitung natürlich über Interpretationen aus der Theatergeschichte sprechen. Mich interessiert, was wir mit diesem Stoff heute erzählen wollen und in welcher Zeit wir eigentlich leben.

Was wollen Sie denn erzählen?

Petras Im Kern geht es bei Büchners Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution um eine Gruppe jüngerer Menschen, die versucht haben, eine Gesellschaft komplett zu verändern. Die Französische Revolution ist ja das Vorbild, das Role Model aller Revolutionen danach. Büchner analysiert in wunderschöner, poetischer Form die Elemente von Revolutionen. Allerdings gibt es heute neue Elemente, die bei ihm noch nicht vorkommen, die versuchen wir hinzuzufügen.

Was fehlt denn bei Büchner?

Petras Zum Beispiel Themen wie Rassismus oder Feminismus, die heute für scharfe gesellschaftliche Auseinandersetzungen sorgen, bei Büchner aber noch keine Rolle spielen. Obwohl es schon zu seiner Zeit feministische Texte gab, etwa von Olympe de Gouges, die für ihre Gedanken hingerichtet wurde. Wir versuchen an ein paar Stellen vorsichtig die revolutionären Bewegungen zu verbreitern und Spuren in das Heute zu zeigen.

Bei Büchner geht es ja auch um die Frage, wie wehrhaft Freiheitsrechte sind. Die Figuren setzen auch auf Gewalt, weil sie das Erkämpfte nicht wieder verlieren wollen.

Petras Ja, Büchner hat das Drama während der Flucht aus Deutschland geschrieben. Er hatte eine revolutionäre Kampfschrift verfasst, den Hessischen Landboten, Freunde von ihm sind dafür ins Gefängnis gegangen, sogar in der Haft gestorben. Büchner schreibt darüber, wie lange eine revolutionäre Bewegung menschlich vertretbar ist, ab wann sie zu einem Selbstläufer wird. Das hat auch mit meiner Biografie zu tun. Ich bin in der DDR in einer sehr sanften Spätform des Stalinismus aufgewachsen. Da wurde mir auch erzählt, dass vieles so zu sein hat, weil der Marxismus die Wahrheit ist. Parolen waren wichtiger als die Realität.

Wo ziehen Sie die Grenze zwischen legitimer und nicht mehr vertretbarer Revolution?

Petras Ich möchte darauf als Privatmensch keine Antwort geben. Jeder muss sich jeden Morgen fragen, ob er noch auf der richtigen Seite steht. Es gibt ja Debatten, die die Welt verändern. Die Genderdebatte zum Beispiel. Wo steh ich da als älterer weißer Mann? Wo bin ich plötzlich nicht mehr revolutionär, sondern vielleicht konterrevolutionär? Das sind spannende Frage, die ich mir privat stelle und die wir bei der Arbeit an der Inszenierung gestellt haben.

Auch die Frage: Wie viel Angst macht mit dieser Wandel?

Petras Natürlich! Wir haben zum Beispiel einen älteren weißen Mann als Danton und eine junge Frau als Robespierre besetzt. Das allein wird Fragen aufwerfen.

Bei den Landtagswahlen im Osten hat die AfD gerade große Zuwächse bekommen. Hat das mit der Angst vor dem Wandel zu tun?

Petras Ich glaube schon. Viele Menschen fürchten um ihre kulturelle Identität. Doch diese Ängste sind viele Jahre überhört und wegerklärt worden. Das schlägt sich nun in Wahlergebnissen nieder. Das zwingt die Gesellschaft, endlich auf diese Ängste zu reagieren.

Wie?

Petras Ich kann da keine Tipps geben, sonst wäre ich Politiker geworden und nicht zum Theater gegangen.

Was erwartet die Zuschauer ästhetisch in Ihrer Inszenierung?

Petras Eine große Personage mit 20 Schauspielern, davon zahlreiche junge Darsteller, teils noch Studenten am Mozarteum in Salzburg. Diese jungen Leute sind vielleicht als Schauspieler noch nicht ganz ausgereift, aber sie sind körperlich und sprachlich sehr engagiert. Man wird in meiner Inszenierung nichts Perfektes sehen, aber man wird sehr viel Wollen, Drängen und Rebellion erleben.

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