Aachen Architektur mit dem gewissen Extra

Aachen · In kurzer Zeit hat sich das Aachener Büro Kadawittfeldarchitektur zu einer der ersten Adressen der deutschen Bauszene entwickelt. Es ist vor allem in NRW, Bayern und Österreich aktiv.

Wenn man die Zentrale von Kadawittfeldarchitektur in Aachen besucht, kann man gut in der Tiefgarage des benachbarten Einkaufszentrums parken. Der Weg zu einem der kreativsten Architektenbüros Nordrhein-Westfalens führt dann über eine fantastische Freitreppe unter einer gläsernen Brücke hindurch, die das alte Hauptgebäude der AachenMünchener Versicherung mit dem neuen verbindet. Ein beeindruckender Gebäudekomplex, der zu den Prestigeprojekten der Architekten zählt. Dieser Weg hat auch den Vorteil, dass man die Freitreppe von unten nach oben begeht. Anders herum besteht nämlich die Gefahr, dass man sich die Beine bricht - weil die Stufen wegen der ungewöhnlichen Konstruktion unterschiedlich hoch sind. Am oberen Ende der ungewöhnlichen Freitreppe wurde deshalb extra ein Warnschild aufgestellt.

Ein typisches Beispiel dafür, dass Architekten Ästhetik wichtiger ist als Funktionalität? Keinesfalls, heißt es bei Kadawittfeld: Das Besondere an der Freitreppe sei, dass sie eine integrierte Rampe besitze, die mit dem Fahrrad, Skateboard, auf Inlineskates, mit dem Kinderwagen oder gar dem Rollstuhl nutzbar sei. Zunächst sei die Treppe von einigen Bürgern und Vereinen zwar skeptisch betrachtet worden, doch mittlerweile werde sie gut angenommen und viel genutzt.

Man mag darüber streiten. Sicher ist: Das Aachener Architekturbüro hat sich einen Namen im deutschsprachigen Raum gemacht. "An denen kommt derzeit niemand vorbei", heißt es in Fachkreisen. Kaum jemand treffe den Zeitgeist so gut. Auf Platz elf des bundesweiten Architekten-Rankings steht das Büro, als bestes in Nordrhein-Westfalen. Gegründet wurde das Büro 1999 von dem österreichischen Architekturprofessor Klaus Kada und seinem Assistenten Gerhard Wittfeld, die beide an der RWTH Aachen lehrten, der deutschen Ingenieurschmiede par excellence. Kadawittfeldarchitektur versteht sich jedoch nicht als Startruppe, das mit Unikaten glänzen will, sondern als kreatives Ensemble, das ansprechende Bauwerke errichten und gestalten will, die sich in eine lebenswerte Umgebung einpassen sollen.

Mehrwert heißt das Zauberwort der sechs Geschäftsleiter. Einer von ihnen ist Kilian Kada, der Sohn des Firmengründers. Mit seinem charmanten österreichischen Akzent beschreibt er die DNA des Büros. "Wir haben Wurzeln in Österreich und in Nordrhein-Westfalen." Das präge die Arbeit der Baumeister. "So wie man sich auf regionale Produkte besinnt, so besinnt man sich als Architekt darauf, das Atmosphärische einer Stadt aufzunehmen und das in den Bau einfließen zu lassen", meint Kada.

Das Team arbeitet derzeit an etlichen Projekten in Nordrhein-Westfalen, so etwa an einem Wohnprojekt in Aachen oder dem neuen Verwaltungssitz des Landschaftsverbands Rheinland in Köln. Aber nicht nur dort. Es ist auch stark in Bayern und Österreich engagiert. In Norwegen, Slowenien und Lettland hat es sich an Ausschreibungen beteiligt. "Der Architekt soll über den Tellerrand hinausblicken und sich inspirieren lassen", lautet das Credo Kadas. Die Macher wollen als Gruppe wahrgenommen werden. "Wir reden immer in der Wir-Form", sagt der junge Kada. Die sechs Geschäftsleiter, mit der Architektin Jasna Moritz als einziger Frau, sehen sich als gleichberechtigt an. Auch bei den Mitarbeitern wird Wert auf Vielfalt und große Spielräume für die einzelnen gelegt.

Doch ganz so egalitär geht es im Aachener Büro von Kadawittfeldarchitektur dann doch nicht zu. Über drei Etagen erstrecken sich die Arbeitsräume, die 150 Architekten, Planern und Bauspezialisten Platz geben. Oben sitzen die Kreativen - neben der Modellwerkstatt. Eine Etage tiefer werden die Ideen passfertig gemacht, ehe in der Tiefe die Detailarbeiten erledigt werden.

Der Aufbau spiegelt den Arbeitsprozess des Büros wider. In der Wettbewerbsabteilung, wo die Kreativen sitzen, werden die Projekte erst einmal gründlich analysiert. "Was verlangt der Bauherr?", "Was bewegt die Menschen vor Ort?", "Wie ist die Außenwirkung, wie die Perspektive von innen?". "Wir würden nie ein Gebäude nur vom Inneren oder vom Äußeren her entwickeln", macht Kada deutlich.

Im nächsten Schritt wird ein Umgebungsmodell gebaut, in der das Grundstück für das eigentliche Gebäude noch ganz klein ist. Da geht es um Stadträume, Verkehrswege, historische Strukturen, Grünflächen. Schließlich kommen die Nutzeranforderungen. Sollen es offene Büros oder Zellen sein? Welchen Stellenwert haben Treppen, offene Plätze, Gemeinschaftsräume? Kadas Mitstreiterin Jasna Moritz meint: "Architektur hat eine starke Wirkung und leistet einen gesellschaftlichen Beitrag. Das sehen Sie bei der Elbphilharmonie, die breit angenommen wird. Architektur schafft Räume für Begegnung und Austausch. Architektur hat einen Einfluss auf unser Wohlbefinden."

Ein Beispiel dafür ist das Kraftwerk Lausward in Düsseldorf. "Im Grunde ist es eine Maschine von Siemens, funktional, effizient, technoid", meint Kada. Was hat ein Architekt in einem solchen technischen Gebäude verloren? "Weil das Kraftwerk vielerorts in Düsseldorf sichtbar ist, haben Stadt und Stadtwerke einen Architekturwettbewerb für die Fassade ausgelobt. Mit der äußeren Gestaltung steuern wir das gewisse Extra bei - und fördern damit die Akzeptanz des Kraftwerks in der Öffentlichkeit", erläutert Kada die Funktion seines Büros.

Das gewisse Extra - das zeichnet auch die urbanen Lieblingsräume der beiden in NRW aus. Jasna Moritz würde Kollegen aus den USA oder China etwa die Aachener Innenstadt rund um den Dom zeigen oder die gewaltige Anlage der Zeche Zollverein in Essen. Auch der neue Düsseldorfer Kö-Bogen mit der Verbindung der berühmtesten Einkaufsstraße Deutschlands zur grünen Lunge Hofgarten hat es ihr angetan. Kada findet das Forum Ludwig, einen Verbund von Technologiepark und Museum, sehr ansprechend und die Düsseldorfer Innenstadt - ein Klassiker des modernen Städtebaus. Und das ungebärdige Köln? "Köln ist nicht klassisch schön, aber interessant. Das liegt daran, dass es so viele architektonische und urbane Angebote gibt."

(RP)
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