Erling Kagges "A Poor Collector’s Guide to Buying Great Art" Anleitung zum Kunstsammeln

Düsseldorf · Der norwegische Sammler Erling Kagge hat einen Ratgeber für Kunstfreunde mit kleinem Budget geschrieben. Das Buch ist ein amüsanter Essay über den Irrsinn des Marktes. Und zugleich eine Liebeserklärung an die Kunst.

Das ist das amüsanteste Buch über den Kunstbetrieb seit langem, und wie gaga und irre es dort zugeht, zeigt die Episode mit den Skulpturen des Künstlers Franz West. Der schuf Objekte, die wie verbogene und ausgehärtete Zahnpasta-Schnüre aussehen. Man soll sie statt des Engels auf den Kühler eines Rolls-Royce stecken.

Erling Kagge fand das toll, er kaufte die Edition, sie umfasst sechs Stücke - für jeden Werktag eins. Sie sei teuer gewesen, schreibt Kagge, und als sie angeliefert wurde, wunderte er sich über die Größe der Kiste: Neben den Kunstwerken war darin ein Rolls-Royce "Silver Shadow". Man hatte ihn einfach als Sockel deklariert.

Kagge ist Rechtsanwalt und Abenteurer. Der 52 Jahre alte Norweger gilt als erster Mensch, der an den drei geografischen Extrempunkten der Welt gewesen ist, an Süd- und Nordpol sowie auf dem Mount Everest. Und weil er Kunst sammelt, besucht er immer wieder auch gesellschaftliche Extrempunkte.

Die Ausstellung in Venedig etwa, die die Sammlung des französischen Milliardärs Francois Pinault präsentierte. Eingeladen war auch der ukrainische Kunstfreund Wiktor Pintschuk, und der schlenderte wie ein Kind im Süßigkeitenladen durch die Schau, zeigte auf Arbeiten von Jeff Koons und Damien Hirst und murmelte: "Hab ich auch, hab ich auch, hab ich auch". Das Kapitel, in dem diese Geschichte zu finden ist, heißt "Wie sie eine interessantere Sammlung aufbauen als ein Oligarch".

Kagges Buch "A Poor Collector's Guide To Buying Great Art" kommt als Ratgeber daher. Kagge besitzt einen Verlag, aber er sagt von sich selbst, er sei als Sammler finanziell betrachtet ein kleines Licht. Dennoch gelang es ihm in den vergangenen 30 Jahren, Werke von beträchtlicher Güte anzuschaffen, und seine Tricks verrät er nun.

Erste Hürde: Man braucht 5000 Dollar. Damit solle man sogleich in eine Galerie gehen und drei Kunstwerke kaufen. Man solle nicht lange überlegen, sondern zuschlagen, sich die Arbeiten an die Wand hängen beziehungsweise in die Wohnung stellen und daran seinen Geschmack erproben. "Ärztefehler landen auf dem Friedhof, verlorene Fälle von Anwälten im Gefängnis, doch die Fehler von Sammlern bleiben an der Zimmerwand." Gefallen die Einkäufe auch nach drei Monaten noch? Erst dann wisse man, wie man ticke: "Lerne durch Kaufen."

Geschmack kanalisiere Sammlerwut. "Eine Sammlung aufzubauen, kann man mit dem Schreiben seiner Autobiografie vergleichen", sagt Kagge. Das Portemonnaie solle Sklave der Leidenschaft sein, nicht ihr Objekt.

Er empfiehlt, alles zu lesen, was man über den Kunstmarkt in die Finger bekommt: Magazine, Anzeigen, Artikel. Leidenschaft sei gut, Informiertheit ebenso wichtig. Ein guter Einstieg seien nummerierte und signierte Editionen, die Kunstvereine herausgeben. "Kunst ist Luxus, aber er muss nicht teuer sein", sagt Kagge. "Wenn Dir etwas gefällt, greif zu. Warte nicht, kauf jetzt."

Er selbst kaufte einst ein Werk von Richard Prince für 50.000 Dollar. Vier Jahre später stieß er es für fünf Millionen wieder ab.

Man solle Risiken eingehen, empfiehlt Kagge, aber nur bei Galeristen kaufen, die ihre Künstler lieben. Man dürfe anderen Sammlern nicht vertrauen, denn sie würden nur Künstler empfehlen, die sie selbst besitzen, damit die im Wert steigen. "Preise sind Signale für Qualität, nicht ihr Spiegel". Und: "Jedes große Kunstwerk hat einst wenig gekostet. Sei der frühe Vogel, sammle junge Künstler. Sieh zu, dass du deren Meisterwerke nicht verpasst."

Man kann das Buch als Leitfaden nutzen, wenn man mag, vielleicht wird man damit irgendwann reich. Aber man kann es auch als Essay lesen, und dann wird man in jedem Fall sofort glücklich, denn es ist hoch amüsant.

Kagge plaudert aus dem Nähkästchen. Er läuft noch immer mit offenem Mund durch Galerien und Messehallen. Er wundert sich, dass Galeristen und Künstler lieber über Immobilien statt über Kunst redeten. Und er erzählt, dass reiche Sammler Berater anstellen, die Kagge "Kunst-Sherpas" nennt. Sie sorgten dafür, dass sich viele Sammlungen kaum voneinander unterscheiden.

Das Schönste an dem Buch ist indes, dass Kagge definiert, was Kunst überhaupt ist, und vor allem: große Kunst. "Sie ist überraschend, unkomfortabel und kompliziert. Sie bietet andere Sichtweisen auf das Leben an, lädt zum Entdecken neuer Dimensionen ein." Man könne nicht lieben, was man versteht, deshalb sammelt Kagge als sperrig geltende Künstler wie Tauba Auerbach, Klara Liden und Trisha Donnelly.

Kagge gibt zu, dass der Kunstmarkt kaum mehr zu durchschauen ist. 2005 habe er gesagt, auf Jeff Koons gebe er keinen Pfifferling - danach stieg der zum teuersten Künstler der Welt auf. Und manchmal sei auch Kagge selbst bescheuert: Er habe unbedingt ein Kunstwerk von Darren Bader haben wollen, schreibt er. Der verkaufte 11.003 Dollar zum Preis von 11.180 Dollar. Kagge fand das lustig, deshalb wollte er das Geld kaufen.

Leider war ein anderer Sammler schneller.

A Poor Collector's Guide to Buying Great Art
Erling Kagge
Verlag Gestalten

(hols)
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