Festspiele „Es gibt eine unglaubliche Lust am Skandal“

Salzburg · Der Publikumsliebling des Düsseldorfer Schauspielhauses debütierte jetzt bei den Salzburger Festpielen mit der Uraufführung von „Zdenek Adamec“ des Literaturnobelpreisträgers Peter Handke.

 André Kaczmarczyk in Handkes Schauspielstück „Zdenek Adamec“.

André Kaczmarczyk in Handkes Schauspielstück „Zdenek Adamec“.

Foto: dpa/Barbara Gindl

Wie man hörte, war der Nobelpreisträger bei der Uraufführung zugegen? Was hat er gesagt?

Kaczmarczyk Er mochte es anscheinend. Seinem Text wird in der Aufführung ja auch in zweistündiger Huldigung begegnet, was soll er da dagegen haben?

Sie hatten einen Bühnenunfall, was ist da passiert?

Kaczmarczyk Ach, ich wollte auf die Bühne rennen und habe einen Metall-Pfeiler übersehen. So bin ich mit Anlauf gegen die Säule geknallt, hatte eine Platzwunde am Kopf und das Knie angeschlagen. Dann kam der Notarztwagen.

Wann war das?

Kaczmarczyk In der letzten Probenwoche. Es war alles eh‘ schon schwierig genug bis zu diesem Zeitpunkt. Es war keine einfache Zusammenarbeit.

Weil es so ein heterogenes Ensemble ist?

Kaczmarczyk Genau. Was ja eine Qualität hätte sein können. Aber in der Endausgestaltung ist es eben schwieriger, als man sich das am Schreibtisch ausdenkt.

Wie ist es, für die Salzburger Festspiele zu arbeiten?

Kaczmarczyk Aufregend! Die ganzen Arbeitsbedingungen sind unglaublich luxuriös und privilegiert. Man geht zu einer Kostümanprobe und hört, dass der Stoff für den Pullover in einer Weberei in Linz extra angefertigt wurde.

Welche Corona- Auflagen gab es?

Kaczmarczyk Ich musste vier Tage vor Probenbeginn einen Test machen, um einreisen zu können und anzufangen. Wir hatten dann sechs Wochen Probenzeit im Probenzentrum in Aigen, ein tolles Haus für so eine kleine Stadt.

Salzburg ist keine arme Stadt, das ganze Salzkammergut lebt gut vom Ganzjahrestourismus.

Kaczmarczyk Ich denke, auch deshalb versuchen sie, die Festspiele durchzupeitschen. Aber auch, um ein Signal zu setzen für den gesamten Kulturbetrieb. Ich halte den Theaterbesuch für ungefährlicher als den Einkauf im Supermarkt.

Wie erleben Sie das Theaterspielen?

Kaczmarczyk Es ist gespenstisch, in den Saal zu schauen, die Leute sitzen im Schachbrettmuster, die Gesichter sind bedeckt. Das ist wahnsinnig. Andererseits: Es muss jetzt so sein.

Haben Sie denn vor Salzburg gar nichts gemacht?

Kaczmarczyk Seit dem 13. März ist das hier meine erste Arbeit! Ich habe allerdings ein bisschen an einem neuen Projekt gearbeitet.

Noch ein Liederabend?

Kaczmarczyk Nein, das Tonbandarchiv vom Schauspielhaus wird aufgelöst. Und weil ich mich so gelangweilt habe, bin ich jeden Tag ins Theater gefahren. Diese alten Magnettonbänder muss man einzeln analog abhören. Ich habe dann den Lockdown damit verbracht, das Material zu digitalisieren.

Sind das Mitschnitte?

Kaczmarczyk Hauptsächlich sind es Aufnahmen, die eingespielt wurden. Ein ganz merkwürdiges Sammelsurium von Dingen. Es gibt zum Beispiel eine Aufnahme von Werner Schroeter aus „Emilia Galotti“ mit Herbert Fritsch als Marinelli. Ich will mit diesen Funden etwas machen.

Wie waren die ersten Proben nach so langer Pause?

Kaczmarczyk Man kommt total ins Grübeln, was man in den letzten Jahren gemacht hat. Es dauert, bis man das Getriebe wieder in Gang bringt. Und dann kommen Fragen auf wie die: Dürfen wir uns jetzt anfassen, oder machen wir das besser nicht?

Es ist also ein Spielen wie auf rohen Eiern?

Kaczmarczyk Genau, wie eine Traumphase. Auch jetzt noch. Wie geht es weiter? Ich muss sagen, diese online-Formate in der Lockdown-Zeit, ich war wie gelähmt, ich kann da nicht mitmachen, das ist für mich kein Theater.

Zurück nach Salzburg, ist das Ihre erste Begegnung mit der Stadt?

Kaczmarczyk Ich war vorher noch nie dort, auch noch nie so lange in Österreich. Es ist eine Begegnung der besonderen Art…

Sie spielen an auf den Salzburg-Hass von Thomas Bernhard?

Kaczmarczyk Naja, es ist ein seltsamer Ort, mir kommt es vor wie ein bayerisches Italien. Hier gibt es eine behauptete Weltläufigkeit und eigenartige Gegensätze. Einerseits das Offene, Großstädtische, andererseits ist es ein Bergdorf an einem Flüsschen.

Und sehr katholisch?

Kaczmarczyk Ja, aber dahinter lauert der lukullische Abgrund, man lässt es sich hier gern gutgehen. Ich beäuge das ehrlich gesagt noch. Andererseits finde ich es auch total reizend hier. Die Salzburger Festspiele sind ein Zauberwort wie „Sesam öffne Dich!“, da wird sofort der rote Teppich ausgerollt.

Haben Sie hier einen Lieblingsort?

Kaczmarczyk Ich gehe dahin, wo alle hingehen, ins Café Bazar, da gibt es wirklich guten Kaffee und gutes Essen. Und die Kellner lassen schnell nonchalant durchblicken, dass sie wissen, dass man da drüben gerade probt. Sie erkundigen sich sogar, wie die Proben laufen.

Das würde in Düsseldorf nie passieren. Ist halt doch was dran an der Kulturnation Österreich?

Kaczmarczyk Ja, und das fasziniert mich total. Das ist auch schräg, so wie die Namen der Restaurants, „Zum fidelen Affen“, „Blaue Gans“, das ist spinös, auch der Humor hier. Die Gegensätze sind extrem, auch beim Wetter. Entweder Mittelmeer-Hitze oder Regen, wie es ihn selbst in England nicht gibt.

Wie ist das künstlerische Klima?

Kaczmarczyk Erst denkt man, das ist hier vor allem eine luxuriöse Geldschleuder. Aber nein, man merkt schnell, wie wahnsinnig engagiert alle Mitarbeiter sind. Der Bühnentechniker kennt alles von Castorf, die Maskenbildnerin ist schon beglückt, wenn man in den Raum kommt und brennt für das Stück. Die Stadt atmet für die Kunst. Natürlich auch im eigenen Interesse. Aber die Ressourcen sind unglaublich. Und wer alles hier ist? Das ist wunderschön. Ja, es gibt operettenhaften Glamour, aber auch das total ernsthafte, profunde Interesse an der Kunst, das ist einzigartig. Und eine unglaubliche Lust am Skandal.

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