Porträt Gisbert Zu Knyphausen Altersweise ohne Vorwarnung

Gisbert zu Knyphausen veröffentlicht nach sieben Jahren wieder ein Album. Er hat sich hörbar verändert. Das verdankt er auch einem Mann, der sich mit Hits auskennt und genau die diesmal nicht produziert.

Zum Glück hat die Reinhard-Mey-Straße einen Wendehammer. Ein kluger Mann mit Gitarre und lyrischem Geschenk hätte nur allzu leicht den Weg hinaus verfehlen, vermeiden, verzweifelt suchen können. Gisbert zu Knyphausen aber hat für sein drittes Album, "Das Licht dieser Welt", die Gitarre gegen das Klavier getauscht und ist nicht mehr auf dem Weg des ewigen Liedermachers. Die zwölf neuen Stücke tragen mehr Licht und mehr Tiefe und mehr Gelassenheit in sich. In seinen Geschichten erzählt Knyphausen nicht mehr von seiner Traurigkeit, sondern einem Dutzend anderer Leben.

Als der Sänger seine ersten beiden Alben veröffentlichte, war er noch nicht oder gerade so eben erst 30. Er war Wahl-Hamburger, Wahl-Berliner, die Ein-Mann-Version des Lebensgefühls von Tomte bis Kettcar. Inzwischen ist er fast 40, sieben Jahre liegt der Vorgänger zurück, mehrere Ewigkeiten.

Loch, Riss, Bruch, sie alle kamen 2012. Knyphausen hatte mit Nils Koppruch, Sänger und Großhirn der Band Fink, ein Duo gegründet. Als Kid Kopphausen hatten die beiden alle ihre Gaben zusammengeworfen und ein sehr cooles Album geschaffen, das die römisch Eins als Titel trug, weil da noch mehr werden sollte. Dann aber versagte Kopp-ruchs Herz.

Nach dem Tod des Freundes gelingt es Knyphausen nicht, sich in die Arbeit zu stürzen. Ein Jahr verschwindet er komplett, auch danach geht das einfach nicht, wieder an neuen Liedern zu arbeiten. Er unterstützt Olli Schulz am unauffälligsten aller Instrumente, am Bass, für dessen Platte und auf dessen Tour, so hat er das in diesem weitentfernten Früher auch gemacht. Aus einer anderen Band kommt dann ein Mann, mit dem ein neues Knyphausen-Album wieder machbar wird.

Jean-Michel Tourette (im Personalausweis steht etwas unspektakulärer Jens-Michael Eckhoff) hat bei Wir sind Helden Keyboard und Gitarre gespielt, und vor allem hat er einen Großteil der Musik der Band geschrieben. Seine Produktionswerkstatt in Hannover trägt den schönen Namen Sonnenstudio und für Hits hatte er durchaus die Zehnerkarte gebucht. Doch um Hits geht es jetzt nicht mehr.

Hits im kleineren Maßstab hatte Knyphausen durchaus auch im Lebenslauf stehen, "Sommertag", "Kräne", "Melancholie", alles wirklich formschöne Zweieinhalb- bis Vier-Minuten-Werke, die in den passenden Lebenslagen wieder und wieder liefen. Neue Varianten davon wären sicher möglich, vermutlich aber auch sinnlos gewesen.

Es gibt keine Songs mehr. Schon die ersten Albumminuten machen klar, dass es auf "Das Licht dieser Welt" keine vertrauten Strukturen zum Festhalten gibt. Knyphausen singt gleich über das Versende hinweg. Und auch danach: Reime tauchen eher zufällig mal auf, Refrains sind meist nur angetäuscht, bestimmend ist der Text, nicht das Lied.

Die Musik ist dadurch zwangsläufig Begleiterscheinung. Das wiederum sorgt für eine seltene Freiheit. Sie kann auch mal verschwinden, schneller und öfter Richtung und Tempo wechseln, entspannt gleiten, einfach knallen. Vibraphon, Trompete, Posaune, Slide-Gitarre - alles kann, nichts muss.

In diesem Umfeld probiert auch der Protagonist etwas Neues aus: englische Texte. Beim Schreiben seiner Lieder hat Knyphausen oft Melodien geformt, indem er ein englisches Kauderwelsch sang. Jetzt hat er gleich ein paar Lieder in echtem Englisch ausprobiert, zwei der Versuche gefallen ihm so, dass sie Teil des Albums werden. Insbesondere bei "Teheran Smiles" ist dies nur konsequent. Knyphausen hatte im Iran mit einer Band zusammengearbeitet (und Englisch gesprochen). Da er nun die Geschichte dieser Zeit erzählt, sollten die Kollegen ihn auch verstehen. Die englischsprachigen Lieder sind sicher nicht die Höhepunkte des Albums, aber um Höhepunkte geht es auch nicht mehr. Egal, wie groß ein Künstler ist, irgendwann ist er weg und ein anderer tritt an seine Stelle, sagt der 38-Jährige. Es sei sehr gesund, sich das bewusst zu machen.

Das Album endet mit einem Instrumentalstück, davor ist das einzig klassisch strukturierte Lied. An dessen Ende, im Abspann, taucht die Stimme von Nils Koppruch auf. Er singt die ersten vier Verse des Stücks. Es heißt "Etwas Besseres als den Tod finden wir überall".

(hdf)
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