Berlin Ägypten will Nofretete zurück

Berlin · Der ägyptische Altertumsrat hat um die Rückgabe der Büste von Nofretete ersucht. Begründung: Der Besitz sei nicht rechtmäßig. Dem widersprach gestern Kulturstaatsminister Neumann. Die Schöne, so scheint es, bleibt in Berlin.

Dieser Zwist ist zwar steinalt, doch immer noch schlägt einem das Herz bis zum Hals, wenn wieder irgendeiner seine Hand ausstreckt zu Nofretete – ach was: zu unserer Nofretete, der schönsten Berlinerin aller Zeiten. Angekündigt war ein solcher Übergriff bereits vor Monaten, nun traf in Berlin bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein offizielles Schreiben von Zahi Hawass ein, der Generalsekretär des Obersten Rates für Altertümer in Ägypten ist und der die Rückführung der Holden mit der Leidenschaft eines Entflammten betreibt.

Seine Argumentation indes ist eine sehr technische: Damals – wir schreiben das Jahr 1912 – sei Nofretete mit gefälschten Dokumenten ausgeführt und ihre eigentliche Bedeutung vom deutschen Ägyptologen Ludwig Borchardt bewusst heruntergespielt worden. Nicht minder mannhaft ist der Widerstand auf deutscher Seite: Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) winkt ab und ließ gestern verlauten, dass seinerzeit alles rechtmäßig verlaufen sei und deshalb keinerlei ägyptische Rechtsansprüche bestünden. Nofretete also soll die "beste Botschafterin Ägyptens in Berlin" bleiben, wie es Stiftungspräsident Hermann Parzinger so charmant zu formulieren versteht.

Aus preußischer Sicht hat es sich damals so zugetragen: Als Gegenleistung für die Finanzierung der Grabungen waren Fundteilungen üblich. Die Objekte hatte man schön säuberlich in Listen und teilweise sogar in Fotografien erfasst. Darunter auch Nofretete. Außerdem haben die geöffneten Kisten mit allen Fundstücken zur Begutachtung bereitgestanden. Und dabei haben die alten Ägypter (was so alle denken, aber natürlich niemand in Berlin zu sagen wagt) wohl kräftig danebengegriffen und die rund 3300 Jahre alte Büste der wunderhübschen Hauptgemahlin von Pharao Echnaton dummerweise nach Berlin ziehen lassen.

Andere Zeitgenossen waren erheblich treffsicherer in ihrem Urteil, allen voran ihr Entdecker, Ludwig Borchardt. Zwar hat er sie in seinem Ausgrabungsbuch recht mickrig und komisch gedrungen gezeichnet (vielleicht ließen sich die Einheimischen ja auch von dieser Wiedergabe täuschen), dafür fand der Deutsche in seinem Tagebuch passendere Worte: "Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreibung nützt nicht, ansehen." Als gingen dem Forscher vor lauter Entzücken die Worte aus.

Weitere Reaktionen dieser Art sollten sich wiederholen. Der Nächste, den es erwischte, war Kaiser Wilhelm II. Er ließ sich eine Kopie der Zauberhaften anfertigen und beging im Wahn der Ergriffenheit einen unverzeihlichen Fehler. So ließ er das fehlende zweite Auge ersetzen und zerstörte so die Aura Nofretetes. Wilhelm hatte nicht begriffen, dass die Unvollkommenheit die zeitlose Schönheit gebiert.

Irgendwann – und zwar recht bald – ist dann auch den Ägyptern ein Licht aufgegangen, wen sie da ins deutsche Reich haben ziehen lassen. Bereits in den 1930er Jahren gab es darum herzzerreißende Rückführungsersuche – unter anderem vom damaligen ägyptischen König Fuad. Der erntete neben dem Misserfolg seines Ansinnens auch noch eine gute Portion Berliner Spott: "Ausgeschlossen, Fuadchen, lieber in Berlin im Glaskasten als in Kairo Scheinkönigin von Englands Gnaden!", heißt es in einer Karikatur aus dieser Zeit.

Auch diesem frühen deutschen Trotz verdanken wir die Gunst, der 47 Zentimeter hohen Nofretete bis heute unsere Aufwartung machen zu können, in ihrem eigenen Kuppelraum im Neuen Museum zu Berlin, den sie zu einem Pantheon der Schönheit verwandelt. Und ist nicht schon ihr Name an uns gerichtet? Schließlich heißt Nofretete "die Schöne ist gekommen". Wenn alle Stricke reißen, bleibt noch das Transportproblem der fragilen Kalksteinbüste. Selbst diese Expertisen der Forscher atmen noch die Verzauberung. Sie sei, wie es heißt, "berührungsempfindlich".

Nofretetes Gesicht. Was Forscher in der Röntgen-Röhre fanden unter www.rp-online.de/wissen

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort