Abgehauen aus Geilenkirchen

Mit 50 Kilogramm Koks in die große Freiheit? "Offroad" erzählt vom Aufbruch aus der nordrhein-westfälischen Provinz. Doch das Drehbuch bemüht viele Klischees und entwickelt keinen Erzählfluss. Immerhin sind Nora Tschirner und Elyas M'Barek sympathische Hauptdarsteller.

Wer träumt nicht schon mal vom Ausstieg aus dem Alltag? Vom Abschied aus dem ewig gleichen Trott und den vorgefertigten Bahnen des Lebens? Vor allem wenn die Zukunft aus Grasfangsäcken für Rasenmäher des elterlichen Betriebs besteht und in der Ehe mit einem spießigen Langweiler. So geht es Meike in "Offroad". Nora Tschirner spielt sie und stürzt sich mit rotziger Unerschrockenheit ins Abenteuer.

Sie träumt von der Weite der Sahara. Um dorthin zu kommen, kauft sie sich kurzentschlossen einen dicken, gebrauchten Ami-Jeep. Als sie entdeckt, dass im Boden des neuen Autos 50 Kilogramm Kokain versteckt sind, wittert sie die große Chance, ihrem Leben einen neuen Dreh zu geben. Die etwas naive Landpomeranze verlässt das heimische Geilenkirchen, um ins Drogenbusiness einzusteigen. In einer der witzigsten Szenen beschimpft sie wüst das Ortsschild zum Abschied "von dem Scheißkaff".

Natürlich hat Meike die Besitzer des weißen Pulvers bald schon auf den Fersen, zwei trottelige Kriminelle, die der Studentin nicht das Wasser reichen können. Klingt klischeehaft? Stimmt. Denn genauso entwickelt sich die vorhersehbare Geschichte auch weiter.

Elmar Fischer, der selbst aus Geilenkirchen stammt, versucht in seinem dritten Film, eine romantische Komödie mit etwas Thriller und Roadmovie zu verquicken. Ihm gelingen einige schöne Momente, den Film tragen können sie aber nicht. Dafür ist das Drehbuch zu unlogisch und bruchstückhaft, die Charaktere zu überzeichnet.

Von der nordrhein-westfälischen Provinz verschlägt es Meike zunächst in die Landeshauptstadt, die hier kurz mittels Splitscreen werbewirksam in Szene gesetzt wird. Die bunt beleuchtete Fassade des Schauspielhauses am Gründgens-Platz verwandelt sich für den Film in den Eingang einer Disko, wo Meike ihre ersten Erfahrungen als Drogendealer sammelt – und erst einmal kräftig vermöbelt wird.

Düsseldorf ist dem Regisseur und Drehbuchautor Fischer wohl nicht Großstadt genug. Die Reise geht weiter nach Berlin, weil Meike nun einen Helfer an der Seite hat, der aus der Hauptstadt stammt: den Türken Selim (Elyas M'Barek aus "Türkisch für Anfänger").

Erwartungsgemäß knistert es zwischen den beiden Protagonisten bald. In einer der romantischsten Szenen singt er mit südländischem Schmelz und Schmachtblick das Lied "Aischa" für sie, doch so schnell lässt sich die taffe Meike nicht ködern.

Die Schauspieler sind ein großes Plus dieses Films, der ansonsten allzu holzschnittartig eine Metropolen-Kriminette erzählen will und doch gedanklich die Provinz nicht verlässt. Nora Tschirner hat schon in Til Schweigers "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" bewiesen, dass sie mit ihrer burschikosen Art allzu alberner Komik etwas Erdung verschaffen kann.

Hier punktet sie nun als handfeste und selbstbewusste junge Frau, die "keine Lust hat, vernünftig zu sein" und sich von anderen sagen zu lassen, wo es langgeht. In dem charmanten M'Barek findet sie einen ungewöhnlichen Verehrer, in dessen Fangraster sie eigentlich nicht passt.

Max von Pufendorf als konservativer Ex-Verlobter, der Meike nachreist, verschafft seiner Figur trotz aller Stereotype sympathische Seiten. Leider bleibt die Handlung platt und reiht nur konstruierte Situation aneinander.

Ein Fluss entsteht nicht und ein Sog schon gar nicht. Doch die Komödie wird dank der Besetzung und des hippen Soundtracks (unter anderem ist Musik von Culcha Candela zu hören) wohl sein junges Zielpublikum erreichen.

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(RP)
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