Inklusion in Mönchengladbach Barrierefreie Wohnungen sind meist teuer

Es gibt sie meist nur in Neubauten: In Mönchengladbach mangelt es eklatant an bezahlbaren, barrierefreien Wohnungen. Behinderte loben aber auch die Stadt – etwa für ihre Planung von Bauprojekten. So funktioniert Inklusion in Gladbach.

 Peter Gabor ist Vorsitzender der AG Selbst Aktiv in der SPD.

Peter Gabor ist Vorsitzender der AG Selbst Aktiv in der SPD.

Foto: Raupold, Isabella (ikr)

Wenn es um Inklusion geht, prallen in Mönchengladbach die Gegensätze aufeinander: Mitunter ist die Stadt sogar Vorreiter und bekommt gute Noten von behinderten und kranken Menschen. Dann gibt es aber auch eklatante Schwächen: Mönchengladbach hat zum Beispiel ein Problem mit bezahlbaren, barrierefreien Wohnungen. Und die Stadtverwaltung lässt Empfänger von Grundsicherung mit Behinderung sogar im Regen stehen – weil der Zugang ins Gebäude nicht barrierefrei ist. Und dann ist Inklusion auch noch ein vielschichtiges Thema, denn Menschen mit Behinderungen sind keine homogene Gruppe. Sehbehinderte brauchen zum Beispiel andere Unterstützung als Rollstuhlfahrer.

Das Positive: „Wir jammern auf hohem Niveau“, stellt Peter Gabor fest, Vorsitzender der AG Selbst Aktiv innerhalb der Gladbacher SPD. Er leidet selbst unter dem Usher-Syndrom, das zu Taubheit und Netzhautdegeneration führt. Gabor lobt die Art, wie Menschen mit Behinderung in die Planung von Bauvorhaben eingebunden werden. Taktile Leitsysteme für Blinde werden verlegt, Bordsteine abgesenkt. Bei den Bordsteinen zeigt sich die Heterogenität der Ansprüche: Sehbehinderte brauchen klare Kanten, Rollstuhlfahrer möglichst ebene Flächen. Hier seien eben Kompromisse nötig, sagt Gabor.

Die Zusammenarbeit mit dem Baubereich wertet auch die Inklusionsbeauftragte der Stadt, Ingrid Icking, als positiv. Es werde konsequent darauf geachtet, die Stabsstelle Inklusion in die Planungen einzubeziehen. Und in der Stabsstelle arbeitet mit Nicole Dierkes-Bludau eine Architektin, die fachlich auf Augenhöhe ist. „Hier ist Mönchengladbach Vorreiter“, sagt Icking.

Trotzdem bleibt viel zu tun. Bei der Sanierung der Kaiser-Friedrich-Halle wurden Maßnahmen zur Barrierefreiheit erst einmal nicht eingeplant. Jetzt soll – hoffentlich – nachgebessert werden. Aber nicht immer ist die bauliche Herstellung von Barrierefreiheit möglich, weiß die Inklusionsbeauftragte. Dann plädiert sie für kreative Lösungen. Warum nicht ein virtuelles Museum schaffen, wenn die Räume des BIS nicht barrierefrei zu gestalten sind? „Man findet Lösungen, wenn man will“, sagt Icking. Aber nicht immer ist der Wille da. Auch bei der Stadt nicht. Die leidige Frage des so gar nicht barrierefreien Zugangs zum Amt für Grundsicherung steht im Raum. Die Büros der Grundsicherung sind nur über Treppen zu erreichen, der barrierefreie Besprechungsraum kann nur nach vorheriger Anmeldung genutzt werden. „Es kommt vor, dass die Mitarbeiter in den Hof gehen, um die Angelegenheiten von Rollstuhlfahrern zu erledigen“, stellt Icking fest.

Änderung ist nicht in Sicht, stattdessen wird auf den Rathausneubau verwiesen. „Anscheinend hat es sich ein Bereich mit größerem Einfluss in den Räumen schön gemacht“, sagt Christopher Micha, Sozialarbeiter und bei Pari Sozial für die KoKoBe, die Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsangebote zuständig. Er sieht darin einen Mangel an Sensibilität für die Belange von Menschen mit Behinderung. Er kennt ein anderes Problem: den Mangel an bezahlbarem, barrierefreiem Wohnraum. „Menschen mit Behinderung haben meist sehr begrenzte Mittel“, sagt er. Barrierefreier Wohnraum finde sich oft nur in Neubauten und sei teuer. „Wir haben eine Schieflage.“ Dem stimmt Albert Sturm vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter zu: „Behinderung muss man sich anscheinend leisten können.“

Die Evangelische Stiftung Hephata lobt die große Offenheit in der Stadt im Bereich Kunst und Kultur und nennt inklusive Kooperationen mit dem Turmfest, dem Museum Abteiberg oder auch den Christkindlmarkt als besonderes Beispiel für gelebte Inklusion.

Vier Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung gibt es in Mönchengladbach. „Ich finde es sehr wichtig, dass es bei der Inklusion kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch gibt“, sagt Marion Middendorp, Leiterin der Paul-Moor-Schule. „Dass Eltern eine Wahlmöglichkeit haben, ist sehr wertvoll.“ Die Paul-Moor-Schule selbst hat sich zusätzlich für Kinder mit Hör- und Sehbehinderungen geöffnet. Für die anderen Schüler sei das kein Problem. „An unserer Schule nehmen die Schüler die anderen, wie sie kommen.“

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