Interview dem deutschen Musik-Star Unheilig: "Kauft keine schlechten Kerzen!"
Kein anderer deutscher Musiker verkauft momentan so viele Platten wie der Graf mit seinem Projekt "Unheilig". Seinen echten Namen hat er noch immer nicht verraten, dafür aber den Titel seiner neuen Platte: "Lichter der Stadt" ist am Freitag erschienen. Im Interview gibt er Tipps für den Kerzenkauf und erklärt, warum es ihn als Handpuppe gibt.
Lassen Sie uns oberflächlich beginnen. Wie nennt sich der Bart, den Sie tragen?
Der Graf Ähm... der hat keinen Namen. Das ist das Ergebnis von fünf Minuten rasieren. Vor zwölf Jahren habe ich mich eines Tages vor den Spiegel gestellt und mir den Schädel rasiert, weil mir die Haare ausgingen. Da habe ich mir gedacht: Irgendwas musst du noch mit deinem Gesicht machen. Damals trug ich einen Dreitage-Bart. Da habe ich so lange rumrasiert, bis nur noch die Dreiecke da waren. Die habe ich dann noch gerade gezogen und gedacht: Sieht super aus.
Haben Sie Leute mit dem gleichen Bart getroffen?
Doppelgänger, die zu meinen Konzerten kommen. Das ist ein bisschen surreal, wenn ich auf der Bühne stehe und mich selbst im Publikum sehe. Thomas D. hat auch Bart an den Seiten, aber das sind keine Dreiecke, sondern Geraden. Wenn ich eine Brille trage, sehe ich trotzdem aus wie Thomas D. 20 Kilogramm schwerer.
Ihr Bart ist ein wenig grau geworden. Müssen Sie bald färben?
Nein, das werde ich nicht machen. Klar, er wird langsam grau, aber ich habe kein Problem mit dem Altern. Ich finde es bloß schade, dass ich keine Haare auf dem Kopf habe, die grau werden können. Ich beneide Leute, die ihren Haaren beim Grauwerden zusehen können.
Auf Ihren Konzerten und in Ihren Videos sind immer Kerzen zu sehen. Wo kaufen Sie die?
Das sind Altarkerzen. Meine ersten Kerzen habe ich, da ich aus Aachen komme, noch im Kerzenladen am Dom gekauft. Die haben sich natürlich gefreut, als ich 30 Stück genommen habe. Die Dinger sind schließlich schweineteuer. Damals war es noch richtig schwer, so viele auf einmal zu kaufen. Heute geht das alles übers Internet. Als ich mit Unheilig angefangen habe, war Internet noch nicht normal. Ich habe 1999 noch darüber nachgedacht: Sollste dir dieses Internet anschaffen?
Augen auf beim Kerzenkauf?
Man sollte die guten Kerzen kaufen. Die Kerzen werden auf Tour oft an- und ausgemacht. Und bei schlechten Kerzen wird der Docht dann immer kürzer und du bekommst sie nicht mehr an. Das kennen wir vom Adventskranz, wenn schon am zweiten Advent die Kerze vom ersten Advent nicht mehr brennen will. Da musst du dann das Schweizer Taschenmesser rausholen, um den Docht freizukratzen.
Sie machen bei Konzerten so eine bestimmte Handbewegung. Ein Journalist schrieb mal, das sehe so aus, als würden Sie sich Tesafilm von den Händen schütteln.
Das ist die Bewegung eines Dirigenten. Wenn ich die Musik spüre, dann spanne ich alle meine Muskeln an. Da lasse ich einfach die Musik durch mich durch und mache diese Bewegungen. Nach fünf Minuten bin ich klatschnass geschwitzt. Und am nächsten Tag tun mir Muskeln weh, die ich ein halbes Jahr nicht bemerkt habe.
Auf Ihrer Homepage stand mal in Ihrer Kurzbiografie der Satz: "Nie zuvor hat ein Künstler eine vergleichbare Bandbreite an musikalischen Fertigkeiten und Fähigkeiten präsentiert."
Hurra.
Das ist ja schon etwas dick aufgetragen.
So ist das manchmal, wenn Leute über einen schreiben. Ich lese das dann und denke: "Das ist aber nett geschrieben, lass mal stehen."
Es gibt ein paar Künstler, die für diesen Satz eher infrage kommen.
Natürlich. Trotzdem habe ich mit Unheilig Dinge erreicht, die andere nicht erreicht haben. Darauf bin ich stolz. Wir haben Musikgeschichte geschrieben mit unseren Chartplatzierungen. Ich habe zehn Jahre lang durchgearbeitet und eine Ochsentour hinter mich gebracht, bis der Erfolg kam. Wir haben unsere ersten Alben ganz alleine gemacht und unser ganzes Geld in die Musik reingesteckt. Im Grunde bin ich aus dem Nichts entstanden und habe das alleine mit meinen zwei Leuten auf die Beine gestellt. Nennen Sie mir jemanden, der das in den vergangenen Jahren geschafft hat.
Sie gehören zumindest zu den wenigen Künstlern in Deutschland, mit deren Platten ein Musiklabel noch Geld verdienen kann.
Ich finde es toll, wenn ich zuhause ein Lied schreibe und dadurch meine Existenz sichern kann. Zehn Jahre lang war ich auf das Geld meiner Eltern angewiesen, um die Miete zu zahlen. Jetzt kann ich von der Musik leben. Wie cool ist denn das? Ich bin froh, dass es noch genügend Menschen in Deutschland gibt, die das Album legal kaufen. Sonst könnte ich auch wieder Hörgeräte-Akustiker werden. Dass eine Plattenfirma damit Geld verdienen kann, setzt mich nicht unter Druck. Wenn das Album ein Flop wird, sind es immer noch 900.000 und dann freut sich die Plattenfirma auch. Aber du kannst nicht als Erstes sagen: Wir wollen damit Geld verdienen. Wenn du das machst, bist du schon verloren.
Sehen Sie sich als Künstler oder Handwerker?
Zu 80 Prozent bin ich Künstler. Ich bin völlig bescheuert, wenn es um die Musik geht. Gerade wenn es um meine Musik geht, bin ich ein sehr schwieriger Mensch. Da habe ich ganz genaue Vorstellungen. Mein Umfeld hat es da nicht einfach, egal ob es um die Produktion oder das Artwork geht. Ich will alles sehen, bevor es nicht mehr zu ändern ist. Die Leute da draußen haben es verdient, etwas zu bekommen, das gut ist. Die kaufen doch kein Album, wenn das Artwork lieblos ist oder sie nur einen Song gut finden.
Sind Sie ein Star?
Ne, ich bin Musiker. Ich mag das Wort Star nicht. Bei Star denke ich an irgendwelche Typen, die im Dschungel in der Ecke liegen und Hühnerhoden essen müssen. Ich bin kein Star. Ich bin ein ganz normaler Musiker aus Aachen, der gerne Musik macht.
Sie sind bekannt dafür, die Nähe zu Ihren Fans zu suchen. Das ist sicher schwierig, wenn es so viele Fans sind.
Das stimmt. Wir hatten kürzlich vier Autogrammstunden, wo ich insgesamt 32 Stunden gestanden habe. Das war super. Es reicht nicht, nach dem Konzert an einem Tisch zu sitzen, und die Leute werden da wie Vieh vorbeigejagt und ich unterschreibe da mal schnell was. Da haben die Fans keine Zeit, dich zu knuddeln oder dir was Privates zu sagen. Und am Ende haben bloß 60 von 20.000 Fans ein Autogramm. Wenn Autogrammstunde, dann einen ganzen Tag lang. Und danach fällst du um und schläfst. Das ist nicht einfach zu organisieren, aber es geht.
Bei Ihrem Konzert in Köln vor einem Jahr hat Ihnen eine Frau aus dem Publikum ein Handtuch zugeworfen mit der Bitte, dass Sie sich damit die Stirn abwischen und es ihr dann wieder zurückgeben. Das haben Sie auch gemacht.
Das finde ich witzig. Ich weiß, dass die Leute mich anders sehen als ich mich. Ich spiele dann damit, wenn es so ist. Denn ich sage ja auch: "Das ist ja ein bisschen eklig." Wenn ich die Leute bei Autogrammstunden treffe, sage ich ihnen: Ich bin genauso ein Mensch wie du. Ich war heute Morgen genauso zerknittert und musste erst mal wach werden. Die sollen sehen: Ich bleibe mit den Füßen noch immer auf dem Boden. Mein Privatleben ist ganz normal. Deshalb mag ich es überhaupt nicht, wenn ich hochgehoben werde. Wenn sich die Leute im Restaurant fragen: Was hat er sich denn nun bestellt? Ich habe das große Glück, dass ich auf eine Bühne gehen darf und die Leute mir zujubeln. Aber das wahre Leben findet zuhause statt. Da muss ich einkaufen gehen, den Kühlschrank füllen, den Müll raustragen, den Rasen mähen. Ich habe dieselben Ängste und Emotionen wie jeder andere auch.
Sie haben also keine Haushälterin?
Niemals. Sogar in der Bild-Zeitung stand, dass ich mein Klo selber putze.
Wie halten Sie sich denn auf der Erde?
Ich habe ein Umfeld, das mir auch mal in den Nacken schlägt, wenn es nötig ist. Mit den Ja-Sagern arbeite ich nicht mehr zusammen.
In Ihrem Online-Shop kann man Sie als Handpuppe kaufen.
Das finde ich witzig, ich wollte eine Handpuppe haben. Es war gar nicht so einfach, die zu machen. Man darf sich manchmal auch nicht so ernst nehmen. Ist doch schön, wenn die Leute den kleinen Grafen mit nach Hause nehmen können. Meiner sitzt auf der Fensterbank. Es gibt Fans, die nähen ihrer Handpuppe sogar andere Outfits. Klar kann man jetzt sagen: "Totaler Kommerz. Nun hat er sogar seine eigene Handpuppe." Aber wenn sie keiner haben wollte, würde ich sie auch nicht anbieten.