Bastian Pastewka „Hauptfiguren müssen nicht sympathisch sein“

Fies und gerade deshalb menschlich, das ist die Figur, die Bastian Pastewka in "Pastewka" seit 2005 spielt. Am Freitag läuft die sechste Staffel an. Sebastian Dalkowski sprach mit dem 40-Jährigen über Bananenschalen, den Zenit des Bösen und ein Dörfchen auf Teneriffa.

 Wirkt, als könnte er in der nächsten Rama-Werbung mitspielen, aber als „Pastewka“ kann Bastian Pastewka auch fies sein.

Wirkt, als könnte er in der nächsten Rama-Werbung mitspielen, aber als „Pastewka“ kann Bastian Pastewka auch fies sein.

Foto: Sonja Gutschera

Fies und gerade deshalb menschlich, das ist die Figur, die Bastian Pastewka in "Pastewka" seit 2005 spielt. Am Freitag läuft die sechste Staffel an. Sebastian Dalkowski sprach mit dem 40-Jährigen über Bananenschalen, den Zenit des Bösen und ein Dörfchen auf Teneriffa.

Sie haben kürzlich gesagt, wie wichtig es Ihnen ist, am Set von "Pastewka" nicht zu improvisieren. Aber Comedy lebt doch von Spontaneität.

Bastian Pastewka Improvisation ist nur in einem Improvisationsformat gut aufgehoben. Beispiel "Schillerstraße". Beispiel "Dittsche". Beispiel "Frei Schnauze". "Pastewka" ist ein anderes Sujet. Wir verabreden uns mit Schauspielern, die zurecht gewohnt sind, Texte zu lernen, und stellen komische Situationen nach Drehbuch her. Natürlich bleibt es nicht aus, dass wir in einer Situation was verändern, weil es uns im Ablauf hilft. Das halte ich aber nicht für Improvisation. Was für den Zuschauer spontan aussieht, ist Schauspielerei.

Bei der von Ihnen sehr geschätzten Sitcom "Seinfeld" sieht es auch immer wie Improvisation aus.

Es wird sehr häufig kolportiert, dass die improvisiert hätten. Das glaube ich überhaupt nicht. Es sieht immer nur so aus, als würde es ihnen alles spontan einfallen.

Weil Comedyserien- und Filme so spontan, so mühelos wirken, werden sie ja gerne mal nicht für voll genommen.

Eine schlechte Komödie fällt schneller auf als ein schlechtes Drama. Die schlechte Komödie hat keine Lacher, und dann wird es eng. "Seinfeld" ist übrigens die einzige amerikanische Sitcom, die ich je gesehen habe. Ich habe Jerry Seinfeld einmal persönlich kennengelernt. Er hat mich gefragt, warum "Seinfeld" in Deutschland so erfolglos war. Die Serie ist ja hierzulande an "Eine schreckliche nette Familie" oder die "Golden Girls" nie herangekommen. Und ich hatte keine Antwort auf diese Frage. Dann habe ich ihm erzählt, dass seine Serie hier nun auf Comedy Central neu anlaufe. Er freute sich, weil der Sender in den USA sehr groß ist. Doch ich musste ihm gestehen, dass Comedy Central in Deutschland nur ein Spartenkanal ist. Da kippte die Stimmung zwischen mir und ihm. Dann habe ich ihm noch erzählt, dass seine deutsche Stimme auch John Carter von Emergency Room spricht — danach hat er nie wieder angerufen.

Kommen wir doch völlig unimprovisiert wieder auf Drehbücher von "Pastewka" zu sprechen. Wie entstehen die?

Traditionell fahren die beiden Drehbuchautoren, Chris Geletneky und Sascha Albrecht, und ich in ein abgelegenes Dörfchen auf Teneriffa, schließen uns dort zehn Tage ein und denken uns die neuen Geschichten aus. Wir überlegen, was wir in den vergangenen Staffeln erzählt haben, welche Figuren wir nochmal auftauchen lassen wollen, welche Beklopptheiten Pastewka noch nicht angestellt hat. In dieser Zeit schaffen wir sechs bis sieben ausgereifte Geschichten, noch kein Drehbuch, aber ein so genanntes "Treatment", in denen man auf vier bis fünf Seiten lesen kann, was in diesen Geschichten passiert. Danach übernehmen Sascha und Chris die Löwenarbeit und schreiben die Drehbücher. Von der bei spanischem Rioja mal eben dahingesagten Idee bis zum Drehbuch ist es ein wahnsinnig langer Prozess.

Wann sehen Sie das Drehbuch?

Nach dem Schreiben setzen wir uns alle zusammen, mit der Produzentin und einigen Schauspielern, und lesen diese Bücher gemeinsam in einem Konferenzraum. Dann erkennen wir, ob Dialoge holpern, ob sich Sachen doppeln, ob jemand mit der Wendung in einer Geschichte existenzielle Probleme hat. Unser Redakteur bei Sat. 1, den ich nicht genug loben kann, der großartige, weise Josef Ballerstaller, sagt am Ende noch mal etwas Abschließendes und hat stets Recht. Daraufhin verändern wir die Geschichte nochmals. Das ist eine Arbeit, die über viele Monate geht, bis wir dann am ersten Drehtag am Pastewka-Set stehen. Dort ist es völlig unerheblich, was wir je vor Augen hatten. Von da an müssen die Szenen in den Raum hineinpassen, den wir bespielen.

Müssen wir uns vorstellen, dass Sie bei der Leseprobe ständig laut loslachen?

Bei der ersten Leseprobe lachen wir sehr viel, weil ein Großteil der Schauspieler die Drehbücher zum ersten Mal sieht. An den Reaktionen merken wir dann auch mal, dass nur wir auf Teneriffa eine Szene lustig fanden. Es kann auch vorkommen, dass wir Szenen nicht so drehen können, wie sie geplant waren, weil sie unser Budget übersteigen. Dann drehen wir den Dialog nicht in einem fahrenden Auto, sondern an einer Tankstelle. Oder ein Darsteller fällt aus und der Drehplan wird umgestrickt. Mich zum Beispiel hat bei den Dreharbeiten zur sechsten Staffel eine Grippe vier Tage auf den Rücken gestreckt. Das ist dann ein großer Stress für unsere Produktionsleitung. Ich entschuldige mich an dieser Stelle nochmal bei Stefan Hörnig, dem besten Mann, den wir haben.

Ist er auch Arzt?

Er ist Arzt, er ist Seelsorger, er ist ein Könner. Und er ist natürlich Sexsymbol.

Was finden Sie denn an den Pastewka-Drehbüchern lustig?

Ich mag die überraschenden Wendungen. In der Folge "Der Masseur" aus der neuen Staffel sind so viele Wendungen drin, dass der Zuschauer am Ende im besten Fall völlig verblüfft ist. Die Folge "Der Magnet" hat zwei Teile. Der erste besteht aus dem Ärger mit einem starken Magneten, den Bastian kauft, um den Stromzähler zu manipulieren, der zweite Teil ist das Essen mit den Eltern seiner Freundin Anne. Wir kämpfen meist dagegen, versehentlich eine Folge zu machen, die wir so ähnlich schon einmal gemacht haben.

Wir müssen über Ihre Figur "Pastewka" reden. Was treibt den eigentlich an?

Furcht und Neid.

Vor allem Neid.

Da unterscheiden sich der Serien-Pastewka und ich. Ich bin in Wahrheit nicht furchtsam.

Hat sich diese Figur denn weiterentwickelt? Mir kommt es so vor, als sei Pastewka böser geworden.

Den Zenit des Bösen haben wir in Staffel 3 erreicht, als Bastian seine Familie permanent in die Pfanne gehauen hat. Da haben wir gemerkt, dass der Charakter ein wenig festhängt. Aber natürlich ist Bastian derjenige, der das Unglück anschiebt und von ihm am Ende jeder Episode auch getroffen wird. Deshalb verzeiht man ihm hoffentlich die eine oder andere Bosheit.

Ich habe mich gefragt, was diesen Pastewka überhaupt noch sympathisch macht.

Hauptfiguren müssen ja nicht unbedingt sympathisch sein. Siehe "Stromberg". Aber sie müssen einen sympathischen Wesenszug haben. Und Bastian hat ja einen. Er würde jederzeit für seine Familie alles stehen und liegen lassen oder sie — wie in dieser Staffel — sogar in sein neues Haus mitnehmen. Wenn auch nicht ganz freiwillig.

Ich habe das Gefühl, er will vor allem erstmal seine Videokassetten digitalisieren.

Aber er ist auch der erste, der immer weiter einschenkt, wenn Gäste da sind. Die Menschen sind ja auch nicht nur gut oder böse oder nur fröhlich oder neidisch. Im Menschen wird alles zusammengeführt. Die einzelnen Eigenschaften zeigen sich genau dann, wenn man sie nicht erwartet. Das ist das Wesen einer komödiantischen Serie. Man braucht eine Figur, der man folgt. Dann verzeiht man ihr auch die Ausrutscher.

Ist Pastewka nicht auch deshalb sympathisch, weil er in einem nicht gerade Autorität ausstrahlenden Körper steckt, so wie früher Ekel Alfred?

Ja, Pastewka ist deplatziert. Verkehrt. Das ist mein ewiges Mantra: Humor kommt aus Verlangen, Humor kommt aus Gegensätzen, aber diese Gegensätze werden nur komisch, wenn es die richtigen Personen betrifft.

Wie meinen Sie das?

Ganz einfaches Beispiel: Wenn ein Kind über eine Bananenschale stolpert, lacht niemand, weil ein Kind unbeholfen ist, nicht Bescheid weiß und sich vielleicht wehtut. Wenn aber ein glitschiger Investmentbanker in sein Handy brüllt, und über die Bananenschale stolpert, dann lachen wir. Das ist deshalb komisch, weil der Banker in diesem Moment das Verlangen hat, als Autoritätsperson aufzutreten und dabei scheitert. So ist das bei Bastian auch. Er hätte gerne sein Familienleben im Griff, wäre gerne ein berühmter Schauspieler, aber es gelingt ihm leider nicht. Solange er dieses Verlangen hat, stellt er die dümmsten Sachen an.

Trotz der sympathischen Wesenszüge wird es dem Zuschauer ja ständig schwer gemacht, Pastewka zu mögen. Das hat fast was von Walter White aus der US-Serie "Breaking Bad", der vom harmlosen Familienvater zum bösen Drogenproduzenten wird.

Das macht den Reiz von "Breaking Bad" aus, diese Frage: Wie weit gehe ich mit einer Hauptfigur mit? Eine Serie, die das noch weiter auf die Spitze treibt, ist "Dexter". Dort ist die Hauptfigur ein Mörder und wir ertappen uns dabei, dass wir ihm alles Gute wünschen und er nicht entdeckt wird. Wir können uns mit "Pastewka" sicherlich nicht in eine Reihe mit diesen Serien stellen. Vergleichbar ist aber das Ziel, das Publikum der Hauptfigur und seinen Taten entweder kopfschüttelnd oder akzeptierend zusehen zu lassen. Das ist mein größter Wunsch: Dass die Hälfte der Leute sagt "Ich mag ihn" und die andere Hälfte "Ich mochte ihn, aber jetzt geht er mir auf den Geist".

Die neuen Folgen laufen immer freitags, 22.45 Uhr, auf Sat.1.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort