Claus von Wagner „Eigentlich sollten Sie den Fernseher gar nicht einschalten“

Von der Nebenrolle in der "Heute-Show" zur Hauptrolle in "Die Anstalt". Claus von Wagner, 36, ist neben Max Uthoff der neue in der ZDF-Kabarettsendung, die früher "Neues aus der Anstalt" hieß. Ein Gespräch über tote Pferde, schreckliche Pflanzen und Eintrittsgelder bei Bundestagswahlen.

 Claus von Wagner meint das ernst.

Claus von Wagner meint das ernst.

Foto: Simon Büttner

Dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten?

Claus von Wagner Gerne.

Könnten Sie jeden aus der Anstalt werfen, der Witze über die Bahn oder die FDP macht?

Das kommt auf die Witze an. Man kann ja nicht generell Witze über die Bahn ausschließen. Ist denn ein Witz über Herrn Pofalla nicht erlaubt, der sich den Geruch der Korruption gibt, indem er kurz nach dem Ende seiner politischen Karriere dort anfängt? Ist ein Witz nicht erlaubt über eine FDP, die diesen Neoliberalismus gepredigt hat und dafür abgestraft worden ist? Wir werden uns keine Denk- und Sprechverbote bei der Anstalt geben.

Sie wissen, welche Witze über die Bahn ich meine. Verspätungen, schlechtes Englisch und schlechten Service.

Ich werde meinen Kollegen nicht vorschreiben, worüber sie sprechen, aber wir wollen uns mit Dingen beschäftigen, die gesellschaftlich relevant sind. Und Verspätungen der Bahn stehen für einen Investitionsstau, den es gibt, seitdem die Bahn versucht hat, an die Börse zu gehen. Manche Verspätungen haben einen Grund. Ein Kabarettist kann doch darauf hinweisen, dass ein Staatsbetrieb Privatunternehmen spielt. Es kommt eben darauf an, wie man es macht.

Das heißt, man darf den Kabarettisten nicht vorwerfen, dass Sie noch immer über die Deutsche Bahn sprechen, wenn die Bahn sich eben noch immer nicht verbessert hat?

Als Kabarettist darf man alles machen. Wenn man sich in einer Form damit beschäftigt, die faszinierend ist, ist alles erlaubt.

Kürzlich habe ich mit Ihrem "Heute-Show"-Kollegen Christian Ehring gesprochen. Der meinte, es sei ganz gut, dass die FDP aus dem Bundestag geflogen ist, weil die Kabarettisten sich dann ein neues Thema suchen mussten. Das Pferd war totgeritten.

Und dann sollte man aus dem Sattel steigen?

Dann sollte man sich ein neues Pferd suchen. Beziehungsweise einen neuen Sündenbock.

Das hieße aber, wir sind auf der FDP geritten. Dabei sind wir mit der doch keinen Schritt weitergekommen.

Dürfte ich Sie in die Bredouille bringen?

Ja.

Ich habe mir "Neues aus der Anstalt" selten angesehen, was auch damit zu tun hatte, dass dort immer dieselben Gesichter zu sehen waren — warum sollte ich jetzt einschalten?

Eigentlich sollten Sie den Fernseher gar nicht einschalten. Eigentlich sollten Sie sich Gedanken machen und mit diesen Gedanken Bücher schreiben, die Millionen Menschen glücklich machen. Aber seien Sie einfach neugierig, wie mein Kollege Max Uthoff und ich das machen, weil wir so noch nie zusammen auf einer Bühne gestanden haben. Erfreuen Sie sich daran, unser eventuelles Scheitern zu betrachten.

Ändert sich was, außer dass "Neues aus der Anstalt" nun "Die Anstalt" heißt?

Es wäre schön, wenn wir die Gäste ein bisschen zusammenführen könnten. Wir wollen mit den Kollegen zusammen Nummern machen. Wir wollen Dialoge und keine nebeneinandergestellten Solos.

Es wird also ein einziges, zusammenhängendes Stück?

Das ist schwierig. Es wird keine amerikanische Serie, aber wir werden Anknüpfungspunkte haben. Wir haben kein Autorenteam von 20 Leuten, sondern sind zu dritt, Max Uthoff, ich und ein Kollege, der aus dem investigativen Journalismus kommt. Wir wollen von den Fakten her redlich sein. Satire wird stärker, wenn man die Fakten klarer herausstellt. Die Leute sind manchmal verwirrt: Was ist Satire, was ist Fakt?

Ich habe das Gefühl, die Fakten an sich werden immer satirischer.

Da sprechen Sie von Realsatire, aber die gibt es nicht. Satire ist immer eine Kunstform. Wenn es Realsatire gäbe, wäre die Realität fiktiv, und das ist Quatsch. Fakten werden nur zur Satire, wenn sie jemand in den Zusammenhang stellt.

Aber die Fakten an sich sind doch schon so satirisch, dass man gar nicht übertreiben muss.

Ich glaube, das war schon immer so. Wann war denn die Zeit anders? Vielleicht im Paradies. Da war es mit der Satire schwierig. Seit dem Rauswurf aus dem Paradies haben es Satiriker leichter.

Ich habe mal geguckt, gegen wen Sie am 4. Februar antreten. Da wären zum Beispiel die Tagesthemen.

Das wird schwierig.

Vielleicht geht die Quote erst um kurz vor elf bei Ihnen hoch. Auf RTL läuft "Bones".

Kann man auf DVD gucken.

Auf ProSieben läuft die TV-Total-Poker-Nacht.

Ich habe noch nie verstanden, was daran interessant sein soll, anderen beim Pokern zuzusehen. So wie früher, wenn einem der Freund das neueste Computerspiel gezeigt hat, und man durfte nicht mitspielen.

Den Knüller sendet Tele 5 — Pflanzen des Schreckens.

Gegen diese Monumentalsendung haben wir keine Chance. Da ist noch jeder gescheitert. Selbst Lanz.

Genau, das lag bestimmt nur an den Pflanzen. Seien Sie froh, dass das Dschungelcamp bei Ihrer Premiere nicht mehr läuft.

Ich gucke es nicht. Läuft das grad?

Guter Versuch.

Damit beschäftige ich mich wirklich nicht. Ich beschäftige mich mit Finanzinstituten und was die Deutsche Bank gerade macht. Das finde ich spannender.

Sie sagen das ein wenig abfällig. Der Dschungelcamp-Zuschauer ist intelligenter als der durchschnittliche RTL-Zuschauer.

Das habe ich auch gehört und kann es auch nachvollziehen. Das Dschungelcamp ist einer der wenigen Orte, an denen Wahlen noch einen Effekt haben. Aber da kostet jeder Anruf, oder? Vielleicht sollten wir für die Stimmabgabe bei der Bundestagswahl auch Geld verlangen, damit sich wieder mehr Leute beteiligen.

Was nichts kostet, das ist nichts, sagt ja der Volksmund.

Sehen Sie? Sie haben mich überzeugt. Das Dschungelcamp ist gesellschaftlich relevant.

Ich könnte auch unmöglich gesellschaftlich irrelevantes Zeug gucken.

Dieses Selbstbild möchte ich Ihnen nicht nehmen.

Wer wird denn auf keinen Fall je in Ihre Sendung kommen?

Ich bin nicht der König von Deutschland. Es gibt keine Denk- und Einladeverbote.

Sie möchten wohl niemanden dissen?

Warum sollte man sich unter Kabarettisten dissen? Wir dissen die, die es verdient haben, und das sind die, die Macht haben in diesem Land.

Sie sagen "Kabarettisten". Da haben Sie schon mal die Comedians ausgeschlossen.

Das ist eine Trennung, die schwierig ist. Wenn Monty Python kommen würde, würden wir denen die gesamte Sendung freiräumen. Und niemand würde die als Kabarettisten bezeichnen.

Aber auch nicht als Comedians.

Eben. Warum wollen wir die Begriffe immer trennen?

Sie haben "Kabarettisten" gesagt, nicht ich.

Echt? Das nehme ich sofort zurück und sage "Menschen, die mit Humor zu tun haben".

Ich habe mal nachgezählt. Herr Uthoff war achtmal zu Gast in "Neues aus der Anstalt", Sie nur einmal. Mag das ZDF Herrn Uthoff viel lieber als Sie?

Ja, Herr Uthoff ist viel beliebter beim ZDF. Das ist eine Kränkung, die ich versuche, in der Sendung auszuleben.

Wie ist das ZDF denn auf Sie gekommen?

Es gibt beim ZDF einen Redakteur, der Max und mich kannte und fragte, ob wir nicht mal zusammen einen Kaffee trinken gehen wollen.

So eine Sendung entsteht also daraus, dass ein Mensch vom ZDF fragt: Wollen wir nicht mal Kaffee trinken gehen?

Ja, tatsächlich.

Und dann geht man tatsächlich Kaffee trinken?

Es könnte auch eine Maracujasaft-Schorle dabeigewesen sein.

Warum haben Sie dem Mann vom ZDF zugestimmt?

Die gemeinsamen Gespräche mit Max, die gemeinsamen Träume. Das hat mich alles andere vergessen lassen. Wir sitzen vor einem Tisch, darauf liegt Schokolade und es steht Kaffee drauf. Und aus dieser Keimzelle entsteht die Sendung.

Sie haben "Träume" gesagt. Ein großes Wort.

Oder ein sehr kleines.

Das kommt auf Ihre Träume an. Welchen Traum haben Sie denn?

Der Traum ist, dass die Kollegen nachher sagen, wir haben nicht nur Dienst nach Vorschrift gemacht.

Das ZDF hat vielleicht etwas andere Träume. Es gibt da noch so was wie die Quote. Hätten Sie gewisse Zweifel, wenn die Zuschauerzahl unter einer Million liegt?

Wir hören erst auf, wenn die Online-Petition "Wagner und Uthoff raus aus dem ZDF" über zwei Millionen hat.

Garantiert?

Sagen wir 20 Millionen. Nein, sagen wir 80 Millionen. Ach nein, 100 Millionen. Bei 100 Millionen Stimmen hören wir auf.

In der "Süddeutschen" haben Sie gesagt: "Wir legen die Latte an den Text." Und eben nicht an die Quote. Wie hoch haben Sie die Latte denn gelegt?

Reden wir über Stabhochsprung oder normalen Hochsprung?

Stabhochsprung.

Da habe ich mal gewonnen. Beim Achtkampf bin ich über eine Höhe drüber, die andere auch ohne Stab bewältigt hätten. Die Latte liegt... also wir machen das, was uns interessiert.

Und wenn die Latte dann runterfällt?

Dann setzen wir die Latte in Brand.

Verraten Sie mir noch eines: Was machen Sie in den paar Minuten in der Anstalt, in denen Sie nicht auf der Bühne stehen?

Möglichst viel Pfefferminztee trinken.

Kann man den so schnell trinken, wenn er heißt ist?

Ich werde versuchen, jemanden zu finden, der die Temperatur des Pfefferminztees auf einer trinkbaren Höhe hält.

Sie hätten also gerne jemanden, der pustet?

Ich hätte gerne einen Pfefferminzteesklaven.

Die erste Folge von "Die Anstalt" läuft am 4. Februar ab 22.15 Uhr im ZDF.

Zur Person

Der Kabarettist Claus von Wagner wurde am 28. November 1977 in München geboren und wuchs im oberbayerischen Miesbach auf. 2003 beendete Wagner sein Studium (Kommunikationswissenschaften, Geschichte und Medienrecht) mit einer Magisterarbeit zum Thema "Politisches Kabarett im deutschen Fernsehen". Sein aktuelles Programm heißt "Theorie der feinen Menschen".

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