Frida Gold Die schillernde Elfe des Elektro-Pop

Offiziell ist Frida Gold eine Band, doch im Fokus steht nur eine: Sängerin und Songschreiberin Alina Süggeler. Zu tanzbaren Beats inszeniert sich die 28-Jährige als ewig nachdenkliche Pop-Philosophin. Nun ist ihr zweites Album erschienen.

 Band-Chefin Alina Süggeler mit ihren Kollegen Andi Weizel, Thomas Holtgreve und Julian Cassel.

Band-Chefin Alina Süggeler mit ihren Kollegen Andi Weizel, Thomas Holtgreve und Julian Cassel.

Foto: Warner

Die Herren in der Talkshow "Markus Lanz" sind empört. Gerade hat Alina Süggeler, "extrem telegene" (Lanz) Chefin der erfolgreichen Band Frida Gold, allen Frauen da draußen empfohlen, sich mal spontan den Kopf zu rasieren. Sie habe das als sehr befreiend empfunden, als Neuerfindung. Markus Lanz und FDP-Chef-Macho Wolfgang Kubicki sind einstimmig der Meinung, man müsse diese Passage rausschneiden. Männliches Gegacker. Frauen ohne Wallemähne, wo kommen wir denn da hin.

Alina Süggeler, die zur Promotion ihres neuen Albums "Liebe ist meine Religion" gekommen ist, lächelt nur milde. Sie weiß, dass sie zu den Menschen gehört, die es sich leisten können, mit Glatze herumzulaufen. Sie ist ausgesprochen attraktiv, ihr Gesicht ist sanft und symmetrisch, natürlich stellt Markus Lanz irgendwann die Frage, warum sie denn nicht Model geworden sei. "Ich wollte mit Leistung überzeugen", sagt sie, und obwohl in diesem Satz ein leichter Trotz mitschwingt, sieht man ihr an, dass sie den Bohei um ihre Rolle als neue deutsche Pop-Diva genießt.

Bei TV-Auftritten und auf roten Teppichen zeigt sie sich in unkonventionellen Designer-Outfits, mal trat sie in einem hautfarbenen Ganzanzug auf, der erst auf den zweiten Blick erkennen ließ, dass sie überhaupt etwas an hatte. Einem breiteren Publikum wurde sie vor zwei Jahren als Jurorin in der Casting-Show "Unser Star für Baku" bekannt, in der sie eloquent ihre Meinung sagte und sich problemlos zwischen den Alphatieren Stefan Raab und Thomas D behaupten konnte.

Zwei Semester Querflöte-Studium

Musikalisch aber ist Süggeler schon deutlich länger im Geschäft. 2005 gründete sie mit Julian Cassel (Gitarre) und Thomas Holtgreve (Schlagzeug) in ihrer Heimatstadt Hattingen im Ruhrgebiet die Band Linarockt, die an einigen Nachwuchswettbewerben teilnahm. Nach dem Abitur studierte sie zwei Semester lang Querflöte an der Folkwang Universität der Künste in Essen, hatte dann aber doch mehr Lust auf Popmusik.

In Mannheim traf das Trio, das sich inzwischen in Frida umbenannt hatte, auf den Bassisten und Songschreiber Andi Weizel, dessen Einstieg Süggeler als Zäsur in der Bandgeschichte beschreibt. "Als Andi kam, war klar, dass wir das wir das beruflich machen wollen. Und mit ihm kam auch die Elektronik." Zum Namen Frida, den die Gruppe aus einem Song des befreundeten Künstlers Axel Bosse übernommen hatte, kam Gold. Das sei "wertig, warm, strahlend, nicht kopierbar und rein."

Das Debütalbum "Juwel" enthielt die Hitsingle "Wovon sollen wir träumen", die 2011 offizieller ZDF-Song der aus deutscher Sicht eher wenig erfolgreichen Fußball-WM der Frauen wurde und Frida Gold einen sicheren Platz in sämtlichen Radio-Playlists bescherte. Sie traten im Vorprogramm von Kylie Minogue und beim "Bundesvision Song Contest" auf und schienen jene Nische zu füllen, die zuvor von Wir sind Helden, Juli, Mia oder Silbermond besetzt worden war: deutsche Band mit Frontfrau und eher unscheinbaren Hintergrundmusikern.

Deutsche Popband der Stunde

Neu sind die Dancepop-Elemente, und neu ist auch, dass Alina Süggeler keine verspielten Wortwitze in ihre Texte einbaut wie dereinst Judith Holofernes bei Wir sind Helden oder soziale Kälte anprangert wie Silbermond. Süggeler befindet sich beim Songschreiben offenbar in einer entrückten Parallelsphäre, die sich ausschließlich um die Themen Liebe, Glück, Licht, Schatten, Herz und Glanz dreht. Das zumindest sind Begriffe, die auf dem neuen Album in ungefähr jedem Song vorkommen.

Das Album ist auf Platz eins der Charts eingestiegen, und auch die Single "Liebe ist meine Rebellion", die den 90er-Jahre-Dance-Klassiker "Freed From Desire" von Gala sampelt, schaffte es in die Top Ten. Alina Süggeler und Soundtüftler Andi Weizel haben ein sicheres Gespür für tanzbare Beats und eingängige Melodien, zudem kombinieren sie elektronische Sounds gekonnt mit Elementen eines klassischen Popsongs. Eine Haltung lässt sich aus den schwammigen Texten nicht heraushören, aber das ist den Fans offensichtlich egal.

Frida Gold sind die deutsche Popband der Stunde, und Süggeler kann auf eine weiterhin ertragreiche Karriere abseits der Model-Laufstege hoffen. "Musik hat mir gezeigt, dass mir alles offen steht. Ich habe viel gezweifelt, aber nun innere Stärke gefunden." Vielleicht hat die Glatze ja tatsächlich geholfen.

Albumkritik

Offenbar befindet sich Sängerin Alina Süggeler in einem dauerhaften Zustand des Haderns, Leidens und Liebens. Jeder der zwölf Songs, die sich zwischen Pop und Dancefloor bewegen, ist ein einziges Philosophieren, "Wir leuchten schon seit Stunden", "Es stehen Juwelen am Himmel". Das ist auf Dauer leider sehr ermüdend, da helfen auch eine schöne Stimme und englische Refrains nicht. Gern würde man ihr sagen: Mensch Mädchen, red doch mal Klartext.

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