About a Boy Gottschalks letztes Stündlein

Mönchengladbach (RPO). Unser Kolumnist schließt einen Erfolg der neuen Show von Thomas Gottschalk in der ARD aus und nimmt deshalb schon mal die letzte Folge vorweg.

About a Boy: Gottschalks letztes Stündlein
Foto: dapd, dapd

Thomas Gottschalk betritt in einer Lederjeans mit Kuhmuster und Cowboyhut sein Studio. Die Technik hat vor Beginn der Sendung schon einige Lampen abgeschraubt, in der Ecke stehen gepackte Umzugkartons. Gottschalk stellt sich vor die Kamera, guckt ernst und spricht:

"Herzlich Willkommen zu 'Der Gottschalk im Nacken'. Wie Sie vielleicht den Zeitungen entnommen haben, ist dies die 32. und letzte Ausgabe meiner Show. Ich bedanke mich bei allen, die nie an mich geglaubt haben, und bei den Menschen von der ARD, denen Quote wichtiger als Qualität ist. Das deutsche Fernsehen hat damit einen weiteren Tiefpunkt erreicht. Der letzte Gast in meiner Show ist ein alter Bekannter, mehr alt als bekannt, ha ha ha, ein Mann, der für das deutsche Fernsehen so überflüssig war wie das siebte Rad am Wagen. Hier ist Wolfgang Lippert."

Wolfgang Lippert betritt breit grinsend das Studio. Thomas Gottschalk geleitet ihn zu einem Campingtisch mit zwei Plastikstühlen. Sie setzen sich.

Gottschalk: Ich dachte mir, wir machen es uns heute mal so richtig gemütlich.

Lippert: Thomas, denkst du, ich weiß nicht, dass dein Studio nur noch so spartanisch eingerichtet ist, weil das deine letzte Sendung ist?

Gottschalk: Ehrlich gesagt ist das Studio nur noch so spartanisch eingerichtet, weil du heute zu Gast bist.

Lippert: Das ehrt mich. Du warst ja schon immer so charmant.

Gottschalk: Falls du darauf anspielst, dass ich dich in meiner ersten Wetten-dass-Sendung nach deinem kurzen Zwischenspiel kein einziges Mal erwähnt habe — das war charmant von mir. Denn wenn ich deinen Namen erwähnt hätte, dann...

Lippert: Ich habe immerhin Deutschlands wichtigste Show moderiert.

Gottschalk: Zugrunde moderiert hast du sie.

Lippert: Meine Quoten waren fast so gut wie deine. Und du wolltest bloß zurück, weil du bei RTL gescheitert bist. Der neue David Letterman wolltest du werden — bis RTL feststellte, dass du gar nicht in der Lage bist, mehr als drei Minuten mit einem Promi zu sprechen. Du kannst nur Smalltalk. Dasselbe hat die ARD ja jetzt auch festgestellt.

Gottschalk: Deshalb bist du ja auch heute zu Gast.

Lippert: Und weil sonst keiner mehr in deine Sendung kommen will. Ich erinnere mich, das muss so vor zwei Wochen gewesen sein, als Kanzlerin Merkel bei dir war. Erst hast du sie gefragt, wie ihr neuer Film heißt, dann hast du deine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt. Da hast du es zu weit getrieben.

Gottschalk: Es war das Knie. Und jetzt hör auf, mich zu beleidigen. Das ist meine Sendung.

Lippert: Hat sich da gerade schon der Kameramann verabschiedet?

Gottschalk: Er geht nur auf die Toilette. Soll ich ihm das etwa verbieten?

Ansage über die Lautsprecher: Tommy, wir müssen jetzt was mit Web 2.0 machen.

Gottschalk: Immer dieser Quatsch mit dem Internet. In meinen größten Zeiten habe ich das Internet gar nicht gebraucht...

Lippert: Da gab es auch noch kein Internet.

Gottschalk: Sei jetzt still! Nun ja, dann bringt mir bitte meinen Laptop, ich muss ja jetzt was mit Web 2.0 machen. So, ich gehe hier auf die Facebook-Seite meiner Sendung... na, wo ist sie denn?

Lippert: Schalte doch erstmal den Laptop an.

Gottschalk: Ich brauche deine Hilfe nicht. So... na ja, so viel Zeit haben wir jetzt nicht. Also bei Facebook hat sicher wieder jemand geschrieben, dass meine Sendung toll ist oder meine Hose oder meine Frisur oder hat mich beleidigt, so Leute gibt es ja, mir auch egal. Das war auf jeden Fall der Web-2.0-Teil meiner Sendung.

Gottschalk schiebt den Laptop wieder beiseite und starrt ins Leere. Lippert sieht ihn fragend an. Zwei Minuten lang.

Lippert: Möchtest du mir denn keine weiteren Fragen stellen?

Gottschalk: Wozu?

Lippert: Weil ich dein Gast bin.

Gottschalk: Uns sehen vermutlich noch 14 Menschen zu. 14 Menschen, die ja sagen zum Qualitätsfernsehen.

Lippert: Wie viele waren es doch gleich bei deiner ersten Sendung?

Gottschalk: Ach, weiß nicht, 16 Millionen oder so. Worüber sollen wir denn sprechen?

Lippert: Na ja, du hast doch mit deinen Gästen auch immer über ein bestimmtes Thema gesprochen.

Gottschalk: Ich erinnere mich. Irgendwas mit Zeitgeschehen. So ein Quatsch. Von mir aus können wir jetzt auch einfach aufhören. Wie viel Zeit haben wir noch?

Ansage über die Lautsprecher: 22 Minuten.

Gottschalk: Könnte ich denn jetzt schon aufhören?

Ansage über Lautsprecher: Mir doch egal.

Lippert: Vielleicht doch noch mal gucken, was sich auf deiner Facebook-Seite tut?

Gottschalk: Das ist sowieso kein echtes Laptop. Als ob ich so was bedienen könnte.

Lippert: Gut, dass ich das kann.

Gottschalk: Warum?

Lippert: Ach, hat man dir das noch gar nicht gesagt?

Gottschalk: Was hat man mir noch gar nicht gesagt?

Lippert: Na, dass ich ab nächster Woche deine Sendung übernehme. Bis dahin wird hier alles neugemacht und natürlich bekommt die Show einen anderen Namen: "Was ist dir denn über die Lippert gelaufen?"

Gottschalk: Wie bitte? Das ist nicht dein Ernst, oder?

Ansage über den Lautsprecher: Doch.

Lippert: Diese Sendung braucht einfach mal eine Frischzellenkur. In der ersten Sendung bist übrigens du zu Gast.

Gottschalk: Was?

Lippert: Ja, das Thema ist "Wer zuletzt lacht, lacht am besten". Hahaha.

Nachdem Lippert das gesagt hat, stürzt sich Gottschalk auf ihn. Sie rollen ineinander verschlungen über den Boden. Lippert kann sich befreien und verschwindet hinter der Kulisse. Gottschalk rappelt sich auf und rennt hinterher.

Gottschalk: Dich kriege ich.

Lippert: Niemals.

Man hört lautes Gerumpel hinter den Kulissen.

Gottschalk: So, jetzt hab ich dich.

Lippert: Aber Thomas, wir können doch über alles reden.

Gottschalk: Sorry, Wolfang, ich kann nicht reden, ich kann nur Small Talk. Hast du doch selbst gesagt.

Lippert: Aaaaaaaaaaaaaaaaa.

Sebastian Dalkowski veröffentlicht jeden Freitag die Kolumne "About a Boy". Seine bessere Gesichtshälfte hat Andreas Krebs fotografiert.

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