RP Plus So streitet die Linke

Düsseldorf (RPO). Nach den Wahlschlappen bei den Landtagswahlen steckt die Linkspartei in einer tiefen Krise. Die Machtkämpfe und Anfeindungen brechen nun offen aus. Viele frustrierte Linke sind längst zu den Grünen oder zur SPD übergetreten.

Presse zu Lötzsch: Das war's mit Rot-Rot-Grün
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Foto: ddp

Bei den Linken liegen die Nerven blank. Nach den Schlappen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind alle Dämme der Zurückhaltung gebrochen. Die Machtkämpfe und gegenseitigen Anfeindungen, die seit dem Abgang des früheren Parteichefs und Linken-Gründers, Oskar Lafontaine, in der Partei schwelen, brechen nun offen aus.

Zu den harmlosen Varianten der Auseinandersetzung gehört es noch, wenn die angeschlagene Parteichefin Gesine Lötzsch dem Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, einen "übertriebenen Spieltrieb" vorwirft. Dieser hatte zuvor seine Geringschätzung gegenüber der Parteiführung zum Ausdruck gebracht, indem er erklärte, in einer "Notsituation" solle Oskar Lafontaine an die Spitze der Partei zurückkehren.

Der ebenfalls in der Partei sehr umstrittene Co-Parteichef Klaus Ernst, selbst ein Freund krachender Polemiken, wirft den Genossen wiederum eine "innerparteiliche Schlammschlacht" vor. Angesichts der gegenseitigen Beschimpfungen, Unterstellungen und Beleidigungen, die sich die Linken in diesen Tagen über Zeitungen, TV-Sender und via Internet zukommen lassen, darf das als Beschönigung der Lage gelten.

Schlechter Zustand der Partei

Die Partei ist einem erbärmlichen Zustand. Nach den Niederlagen bei den Landtagswahlen im Südwesten der Republik droht die Linke im gesamten Westen wieder das zu werden, was sie vorher war: ein zerstrittenes Grüppchen linker Sektierer. Besonders groß ist die Not zurzeit in Bremen, wo am 22. Mai gewählt wird. "Noch in der Wahlnacht haben sie Posten verteilt, Gelder hin- und hergeschoben, die wir noch gar nicht hatten. Als ich dann in den Vorstand der Bürgerschaft gewählt wurde, fing die Tuschelei an", erinnert sich die türkischstämmige Abgeordnete Sirvan Cakici an die vergangene Wahl. Die 31-Jährige ist inzwischen wie viele frustrierte Linke zur SPD übergetreten. Cakici hatte als Parteimitglied der Linken erleben müssen, dass die Ankündigung eines Besuchs des realpolitischen thüringisches Linken-Chefs Bodo Ramelow mit dem Schriftzug überpinselt wurde: "Go home! Und nimm Sirvan mit".

Die Linke ist bundesweit in einer schweren Krise. Aktuell liegt sie in Umfragen bei rund acht Prozent. Vor einem Jahr waren es noch elf bis zwölf Prozent. In der gleichen Zeit haben 5000 Mitglieder der Partei den Rücken gekehrt. Viele von ihnen sind zur SPD oder zu den Grünen übergelaufen. Die Tatsache, dass Grüne und SPD aktuell über eine eigene politische Mehrheit auf Bundesebene verfügen, beschleunigt den Trend, dass die Linke immer mehr in der politischen Bedeutungslosigkeit versinkt.

Die Partei ist tief zerstritten und zerfällt in einen realpolitischen, ostdeutschen Flügel und einen radikalen, sektiererischen westdeutschen Flügel. Da wundert es nicht, dass sich die radikalen Linken im Osten ähnlich gemobbt fühlen wie sonst die Realpolitiker im Westen. Die Anhänger der Antikapitalistischen Linken (AKL) in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Kreisverband Bad Doberan schreiben in einem Aufruf: "Liebe Genossen! Unsere Landespartei ist in der Hand karrieregeiler, machtbesessener Autokraten, die sich nicht scheuen, für die Durchsetzung ihrer Ambitionen sämtliche Standards der politischen Kultur mit Füßen zu treten." Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern wird von Steffen Bockhahn geführt, einem Lafontaine-Kritiker. Für die Linken im Osten, die wie in Mecklenburg-Vorpommern gerne mit der SPD koalieren wollen, erschwert Lafontaine mit seinem persönlichen Rachefeldzug gegen die SPD das politische Geschäft erheblich.

Anwälte gegen Parteifreunde

Die Linken beweisen immer wieder aufs Neue, dass der als Steigerung gemeinte Spruch "Freund, Feind, Parteifreund" kein Scherz, sondern bitterer Ernst ist. Sich gegenseitig "parteischädigendes Verhalten" vorzuwerfen, sich übelst zu beschimpfen und die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen und auch das Einschalten von Anwälten gegen Parteifreunde gehören bei den Linken zum politischen Alltag. Da fallen Kampfbegriffe wie "Judenbengel" oder hämische Sätze wie: "Es ist ein geiles Gefühl, dich am Boden zu sehen." Und wenn die Linken nicht damit beschäftigt sind, sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf zu schleudern, dann werfen sie sich Wahlmanipulationen und Stimmenkauf vor.

Nur wenige Linke blicken nach vorne. Sie sehen, dass ihre Partei mit Hartz IV, der Rente mit 67 und einer Vermögenssteuer nicht mehr punkten kann, weil die SPD bei diesen Themen längst einen Kurswechsel vollzogen hat. Um im Bundestagswahlkampf 2013 nochmals auf sich aufmerksam machen zu können, muss sich die Linke inhaltlich und personell neu erfinden. Zurzeit sieht es aber so aus, als ginge der Selbstzerfleischungsprozess weiter. Ein Höhepunkt ist beim Parteitag Ende Oktober in Sicht, wenn das neue Grundsatzprogramm verabschiedet werden soll. Das ist genauso umstritten wie die Parteichefs.

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